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F. Rost: „Fußball sollte Allgemeingut bleiben“

TORWART-Archiv. Zum Rücktritt von Keeper Frank Rost veröffentlicht torwart.de noch einmal ein Interview von 2009 mit ihm, welches bisher nur im Magazin erschienen ist. Seine offene und direkte Art hat es Frank Rost nach eigener Aussage nicht immer leicht gemacht. Doch wie das TORWART-Interview des Jahres belegt, sind echte Typen, die über das Rasenrechteck hinaus denken, noch immer die interessantesten Gesprächspartner.

torwart.de: Sie sind seit Anfang der Neunziger Jahre Fußballprofi. Wie haben Sie die rasante Entwicklung Ihrer Berufssparte erlebt?

Frank Rost: Ich bin bekanntlich in einem anderen System groß geworden, in dem der Sport ebenfalls eine bedeutende Rolle spielte, aber eben auf eine andere Art und Weise. Seit der Wende hat sich der Fußball tatsächlich gewaltig geändert. Allein der Wechsel vom reinen Staatsamateur zum Profifußballer, dazu die politisch-strukturellen Veränderungen nach der Wiedervereinigung und die Entwicklung in der EU, die ganze Globalisierung – da hat sich das Rad dann weitergedreht.

torwart.de: Haben sie als Sportler damals in der Wende eine Chance gesehen?

Rost: Für mich kam der Mauerfall 1989 als Sechzehnjähriger natürlich genau zum richtigen Zeitpunkt. Es war ein turbulenter Abschnitt, man hat im Osten erst einmal sehr vieles kaputt gemacht. Jeder wurde ins kalte Wasser geschmissen und musste dann auf einmal schwimmen, obwohl die Strukturen nicht da waren. In Sachen Fußball muss man da den Hut vor Cottbus ziehen, die trotz allem Bundesliga spielen. Genau wie in der Wirtschaft, gibt es im Osten nirgends dieses historisch gewachsene Umfeld mit all den Wirtschaftsunternehmen wie in den Hochburgen Hamburg, München oder Ruhrgebiet. Dabei wird der Profifußball immer kommerzieller. Für mich persönlich war die Wende-Zeit, die damals das ganze Leben auf den Kopf gestellt hat, eine tolle Erfahrung. Mich kann nicht mehr soviel erschüttern. Was manche eine Krise nennen, nehme ich noch relativ gelassen.

torwart.de: Welche Erinnerungen haben Sie an die berühmte DDR-Kaderschmiede?

Rost: Das Wort Kaderschmiede klingt immer etwas blöd, ich würde es als Kinder- und Jugendsportschule bezeichnen. Auch wenn es eine ganze Ecke brutaler als heute zuging, habe ich eine sehr gute Ausbildung genossen. Die Anforderungen waren schon sehr hoch und entsprechend war die Auslese, weshalb auch nur wenigen Sportlern der spätere, harte Konkurrenzkampf zu schaffen machte. Das mit den Medien und dem ganzen Trubel drumherum war hingegen schon sehr neu für uns.

torwart.de: Gab es damals schon spezifisches Torwarttraining?

Rost: Bei Lok Leipzig war das schon sehr professionell und strukturiert. Auch im Jugendbereich gab es absolute Fachkräfte. Im Gegensatz zu den meisten Vereinen im Westen oder den heutigen Clubs, trainierten uns schon sehr früh studierte Ausbilder. Überhaupt hatte der Sport, auch in der Schule, einen enormen Stellenwert, den ich bei der heutigen Schülergeneration sehr vermisse.

torwart.de: Was ist für die Entwicklung angehender Jungprofis am wichtigsten?

Rost: In der Jugendzeit erlernst du die Basisfähigkeiten einfach am besten. Ich hatte viel Glück, in der Zeit auf gute Trainer zu treffen, die sehr viel Wert auf die richtige Techniken legten, wie zum Beispiel das richtige Hinfallen. Wenn du dich auf Hartplätzen hinschmeißen musst, musst du schon lernen, wie man sich richtig abrollt.

torwart.de: Sind Sie mit der Region Leipzig noch sehr verbunden?

Rost: Ja, sicher. Leider gibt es kein Patentrezept für die sportlichen Probleme vor Ort, da herrscht noch viel Theater. Bei Lok Leipzig hat man nie zu einem vernünftigen Miteinander gefunden, es gab immer nur ein Gegeneinander. Wer die Klasse und das Know-How besitzt, muss dreimal überlegen, ob er finanziell einsteigt. Es gibt es schon zuviel verbrannte Erde und das wirtschaftliche Umfeld ist ja auch nicht so optimal.

torwart.de: Über den 1. FC Markkleeberg ging es dann zu Werder Bremen, wo Sie auf Torwarttrainer Dieter Burdenski trafen. Was verbinden Sie mit ihm?

Rost: Einen echten Torwarttrainer hatte Werder 1992 noch gar nicht, da hat das immer Co-Trainer Kalli Kamp gemacht. Erst als dann allmählich alle Vereine Torwarttrainer beschäftigten, hat Dieter Burdenski das Ganze übernommen. Er war ein positiv Verrückter, der nie schlechte Laune hatte. Für einen Torhüter, der auch mal kritische Phasen durchmacht, waren seine große Lust und seine Motivation wirklich gut.

torwart.de: Welche Bedeutung hatte die Station Werder Bremen für Ihre Karriere?

Rost: Bremen ist eine schöne Stadt, die zehn Jahre dort waren eine tolle Zeit, die ich nicht missen will. Außerdem habe ich mich da als Profi durchgesetzt. Es war ein langer Weg, aber ich denke es war O.K.

torwart.de: Dennoch entschlossen Sie sich zum Wechsel nach Schalke?

Rost: Ich wollte gerne noch einmal etwas anderes machen, bei einem anderen Verein spielen. Dort, wo Fußball einen noch größeren Stellenwert besitzt. Damals boten sich die Möglichkeiten nach Dortmund oder Schalke zu gehen. Schalke hatte mich schon immer fasziniert. Auch dank Rudi Assauer, zu dem ich bereits vorher einen guten Draht hatte. Zumal Olli Reck wie bei Werder auch auf Schalke mein Vorgänger sein sollte. Das war zwar Zufall, für mich aber ganz gut.

torwart.de: Auf Schalke glänzten Sie sogar als Torschütze?

Rost: Das war 1999 gegen Rostock. Obwohl ich nur selten mit nach vorne gehe, traf ich damals in der 88. Minute zum Ausgleich. Das Kuriose ist, dass wir danach auch noch einen Elfmeter bekamen und das Spiel damit in wenigen Minuten gedreht hatten.

torwart.de: Wie tief sitzt der Stachel der Enttäuschung, in Person von Manuel Neuer von einem Jüngeren verdrängt worden zu sein.

Rost: Das war ja mehr eine politische und persönliche Sache und hatte nix nichts mit Leistung zu tun. Deshalb sehe ich das auch ganz gelassen. Dass der Manuel dann seine Chance genutzt hat, steht auf einem ganz anderen Blatt.

torwart.de: Als Sie nach Hamburg kamen, waren die Hamburger noch am anderen Ende der Tabelle zuhause?

Rost: Das war schon Harakiri damals. Wenn man mit fünf, sechs Punkten Rückstand auf einen Nichtabstiegsplatz da unten drin steckt, ist das schon ein komisches Gefühl. Das hat die Mannschaft aber super hingekriegt. Wenn sich der Erfolg dann einstellt, ist es leider so, dass jeder wieder etwas mehr Interesse für sich zeigt als für das Gesamte. Dann muss man wieder den Dreh hinbekommen, sodass sich alle auf ihre wirklichen Stärken besinnen.

torwart.de: Wie funktioniert die Zusammenarbeit mit Claus Reitmaier?

Rost: Für Claus, der auch erst mit 34 seinen ersten Torwarttrainer hatte, ist die Situation ja relativ neu. Die Zusammenarbeit kommt natürlich immer auch auf den Cheftrainer an, untereinander sprechen wir uns ab. Allerdings bin ich nicht so der Fan von separatem Warmmachen der Torhüter. Ich spiele schon mal gerne auf dem Feld mit und muss mich nicht jeden Tag hinschmeißen.

torwart.de: Ihre Schalker Vergangenheit teilten Sie mit Huub Stevens. Wie war es, unter ihm zu arbeiten?

Rost: Ich hatte die Hoffnung schon fast aufgegeben, dass es solche Typen noch gibt. Die wird man auch nicht mehr oft finden. Und zwar, weil er eben nicht die Öffentlichkeit befriedigt, sondern alles für die Mannschaft tut. Er kommt aus einer Arbeiterfamilie, hat immer den schwierigen Weg gesucht und sich trotz der vielen guten holländischen Trainer durchgesetzt. Er verlangt, dass die Mannschaft vieles selber regelt. Früher musste der Trainer da gar nicht eingreifen, da wurde vieles selber reguliert. Doch das ist heute oft schwierig, da ist auch der Einfluss des Trainers nicht mehr so groß.

torwart.de: Sehnen Sie sich manchmal nach den alten Zeiten?

Rost: Ich finde es immer schwer früher und heute zu vergleichen. Als ich anfing, gab es noch gewachsene Mannschaften mit klaren Hierarchien. Heute hast du 16 Einzelunternehmer im Team. Beim HSV passt es eigentlich recht gut, aber wir müssen auch ein bisschen Glück haben. Allgemein wird meiner Meinung nach aber zuviel gewechselt und hin und hergeschoben. Das Geld rückt zu sehr in den Vordergrund. Ich glaube auch, dass wir mehr eine Popkultur als eine Fankultur haben. Die Fans werden das wahrscheinlich nicht gerne hören, es gibt ja auch noch viele echte Fans, aber insgesamt dominiert die Popkultur.

torwart.de: In England gründen manche Fans Ihre Lieblingsvereine neu, um deren Identität zu wahren.

Rost: Es ist einfach zu kommerziell geworden. Es muss darauf geachtet werden, dass die richtigen Fans in der Überzahl bleiben. Es ist wohl wie im normalen Leben, wo mittlerweile 35% Zahlungsempfänger vom Staat sind. Wenn dieser Prozentsatz gegen 50 geht, implodiert die Demokratie. Ähnlich ist es beim Fußball. Wenn die VIPs, die natürlich wichtig sind, an die 50% im Stadion ausmachen und der normale Fan herausgedrängt wird, kann die Sache auch implodieren. Wenn eine Karte in England 100 Pfund kostet, ist das auch nicht der Renner. Fußball sollte Allgemeingut bleiben.

torwart.de: Inwiefern hat Ihnen Ihre offene und direkte Art geholfen, sich im Profifußball durchzusetzen?

Rost: Ich würde bestreiten, dass es mir geholfen hat. Heutzutage ist es wohl besser angepasst zu sein. Mein Naturell hängt aber mit meiner Vergangenheit zusammen, in der die Freiheit ein rares Gut war. Das will ich mir auch nicht mehr nehmen lassen. Ich finde es sehr wichtig, dass jeder Mensch das sagen kann, was er denkt und hingehen kann, wohin er will. Das ist für mich die größte Errungenschaft, die man tunlichst verteidigen sollte.

torwart.de: Trotz Ihrer Unangepasstheit zählen Sie seit vielen Jahren zu den besten und konstantesten Torhütern Deutschlands. Welcher Eigenschaften bedarf es, um dieses Niveau so lange zu halten?

Rost: Man muss eine gewisse Ausdauer haben. Schließlich ist es nicht so das Problem, mal ein Jahr gut zu spielen. Über einen langen Zeitraum und bei wichtigen Spielen gut zu spielen, ist schon etwas anderes. Spieler, die mehr als 300 oder 400 Bundesligaspiele absolviert haben, werden immer weniger, weil die Fluktuation relativ groß ist.

torwart.de: Es prallen nicht nur Kulturen, sondern auch Generationen aufeinander. So wie aktuell die zwei Torwart-Generationen. Was können denn die älteren Torhüter besser als die jüngeren?

Rost: Schwer zu sagen. Ob jung oder alt, letztlich musst du erst einmal deine Leistung bringen. Als älterer Torwart hast du sicher den Vorteil, konstanter zu sein. Ich glaube, das mit den vielen jungen Torhütern ist im Moment einfach ein Trend, eine Entwicklung am Fußballmarkt, weil bei Jüngeren natürlich die Verträge länger laufen. Das sind immer so Phasen. In drei, vier Jahren baut man vielleicht lieber wieder auf erfahrene Spieler. Wichtig ist am Ende, über Jahre konstant zu spielen. Das ist dann doch schwieriger, als mal gerade ein Jahr gut zu spielen.

torwart.de: Viele junge Torhüter werden in Ihnen ein Vorbild sehen. Wie geht man damit um?

Rost: Ich spreche ungern von Vorbildern, weil das immer so makellos klingt, denn jeder Mensch hat Makel. Wobei es selbstverständlich Leute gibt, an denen ich mich orientiert und die ich teilweise auch bewundert habe. Wenn ich etwas vorleben kann, das sich andere vielleicht abschauen, will ich das auch gar nicht verneinen.

torwart.de: Wie gehen Sie mit falschen oder negativen Meldungen in den Medien um?

Rost: Da wären wir wieder bei den Vorteilen des erfahrenen Profis, der das Spiel schon kennt und weiß, dass es immer brutaler wird. Vieles ist mittlerweile Politik, Sport und Leistung sind häufig zweitrangig. Die Medien, die ja gerne Geschichten schreiben, sind der dankbare Abnehmer. Am Ende steht: Das Leben geht immer weiter.

torwart.de: Ist die Anspannung während der neunzig Minuten sehr groß?

Rost: Ja, aber es gibt sicherlich anstrengendere Berufe als den des Fußballprofis, es ist schon ein guter Job. Gleichzeitig ist es nicht ohne, sich bei sehr vielen Spielen in Folge immer wieder zu puschen, auch wenn viele Leute das nicht verstehen, weil wir gutes Geld dafür bekommen. Und tatsächlich ist es bei weitem nicht so schwer, wie zum Beispiel unter Tage zu arbeiten. Oder als Lehrer in einer Klasse zu unterrichten, in der von 30 Schülern 27 die deutsche Sprache nicht beherrschen. Mit denen möchte ich nicht tauschen.


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