Nach
dem Spiel gegen den VfB Stuttgart am 2. Bundesligaspiel hatte torwart.de
die Möglichkeit, mit dem Stammkeeper des 1. FC Köln, Stefan Wessels (26),
ein Interview zu führen. Der ehemalige Juniorennationalspieler wechselte
2003 vom FC Bayern, wo er seine Lehrjahre an der Seite von Oliver Kahn und
Sepp Maier verbrachte, zum damaligen Bundesligaaufsteiger. Er eroberte sich
sogleich den Stammplatz in der Kölner Mannschaft. Nach dem vergangenen Jahr
in der zweiten Liga, welches bei Wessels von Verletzungspech geprägt war,
nimmt er nun mit dem FC Köln einen erneuten Anlauf, sich in der Bundesliga
zu etablieren. Das Interview reißt unterschiedliche Themen aus den Bereichen
Karriere, Torwartraining, Material und Aktuelles an.
torwart.de: Wirst Du in Köln an den Torwartgrössen Bodo Illgner
und Toni Schumacher gemessen ?
Stefan Wessels: Ab und zu spricht mich jemand drauf an. Der eine
oder andere würde sich wünschen, dass ich in die Fussstapfen der beiden
treten soll. Insgesamt werden aber diese Vergleiche nicht allzu oft
angestellt.
torwart.de: Was trifft auf Dich eher zu ? Bist Du eher Profi weil
Du über ein grosses Torwarttalent verfügst, oder weil Du hart arbeitest ?
Stefan Wessels: Ich denke Beides. Ein gewisses Talent muss man
einfach haben. Allerdings gibt es in vielen Bereichen "faule Genies", die
grosses Potential haben, es aber nicht abrufen können. Ich hab sehr viel
dafür getan, dass ich Profi geworden bin und dass ich mich weiterentwickelt
habe. Ohne Talent geht es allerdings nicht.
torwart.de: Wer war in der bisherigen Karriere Dein wichtigster
Förderer ? Von wem hast Du am meisten gelernt ?
Stefan Wessels: Es ist schwer zu sagen, weil ich denke, dass ich
in jeder Phase meiner Karriere viel gelernt habe. In der Jugend habe ich mit
meinem damaligen Torwarttrainer sehr viel gearbeitet und sehr viele
Einheiten extra gemacht. Ich habe sehr viel in München von Sepp Maier und im
letzten Jahr von Peter Greiber gelernt. Es wäre ungerecht, jemanden nun
herauszuheben. In den Phasen meiner Karriere als ich die Torwarttrainer
hatte, waren sie für mich immer wichtige Ansprechpartner, die mir bei Fragen
zur Verfügung standen und auch immer wieder konstruktive Kritik geäußert
haben, die mich weitergebracht hat.
torwart.de: Gibt es ein Beispiel dafür, dass Dir ein
Torwarttrainer in einer schwierigen Phase Deiner Karriere, z.B. während
einer Verletzung oder einer Pechsträhne, besonders geholfen hat ?
Stefan Wessels: Eigentlich weniger. Ich kann mich an keine grosse
Pechsträhne erinnern, in der ich durch den Torwarttrainer wieder hätte
großartig aufgebaut werden müssen. Es lag aber auch daran, dass durch den
ständigen Austausch Dinge von den Trainern in jeder Phase konsequent
angesprochen werden und nicht einfach unter den Tisch gekehrt wurde. Das hat
mir immer sehr geholfen.
torwart.de: Welche Tipps gibst Du jungen und talentierten
Torhütern mit auf den Weg ?
Stefan Wessels: Das Wichtigste ist, dass man immer weiter
arbeitet. Man darf sich bei Fehlern nicht aus dem Konzept bringen lassen,
soll auch nicht abheben, wenn es gut läuft. Außerdem sollte man darauf
achten, dass man derjenige bleibt, der man ist. Wenn dann noch das nötige
Glück dazukommt, kann man es weit bringen.
torwart.de: Was ist das Besondere an Deinen Handschuhen ?
Stefan Wessels: Mein Uhlsport-Handschuh ist individuell auf mich
zugeschnitten: Er hat eine Innennaht, eine Bandage, individuellen Schnitt
und Passform. Wichtig ist, dass ich Vertrauen in den Handschuh habe und
weiß, dass der Grip sowohl bei trockenen als auch bei nassen Bedingungen
optimal ist und mir ein sicheres Zupacken ermöglicht.
torwart.de: Was hältst Du von Fingerprotektionshandschuhen ? Hast
Du schon mal mit diesen Handschuhen gespielt ? Wann macht es Sinn, mit
diesen Handschuhen zu spielen ?
Stefan Wessels: Als ich 16 Jahre alt war, brachte adidas den
Fingersave auf den Markt. Ich habe 1-2 Jahre ausschließlich damit gespielt.
Ich war damals sehr zufrieden mit dem Fingersave. Obwohl sich die
Fingerprotektionstechnologie weiter entwickelt hat, fühle ich mich im
normalen Profialltag mit den Fingerschutzhandschuhen nicht mehr so wohl, wie
es in meiner Jugendzeit war. Die Handschuhe sind etwas zu schwerfällig für
den Profi. Allerdings denke ich, dass bei Verletzungsproblemen mit den
Fingern diese Art von Handschuhe eine wirklich sinnvolle Alternative
darstellt. Ich habe in der vergangenen Saison, als ich Probleme mit den
Fingern hatte, auch das eine oder andere Mal den Supportframe von Uhlsport
getragen.
torwart.de: Wie läuft bei Euch eine typische Trainingswoche aus
dem Blickwinkel des Torhüters ab ?
Stefan Wessels: Es hängt davon ab, was der Cheftrainer vorgibt. Im
Allgemeinen läuft es so, dass wir zu Beginn der Woche intensiveres
Torwarttraining machen, wobei der Schwerpunkt auf Sprungkraft und
Schnellkraft gelegt wird. Zum Ende der Woche versuchen wir dann alles
durchzumachen, wie Stellungsspiel und Flanken. Im Grunde geht es darum,
während der Woche das komplette Torwartspiel anzureißen, so dass man für das
Spiel am Wochenende die notwendige Sicherheit hat und optimal vorbereitet
ist. Mental ist das auch eine wichtige Vorbereitung, denn man weiß dann,
dass man für alle möglichen Spielsituationen gewappnet ist.
torwart.de: Arbeitest Du eher an Deinen Schwächen oder versuchst
Du Deine Stärken auszubauen ?
Stefan Wessels: Ich arbeite an beidem. Natürlich ist es wichtig,
wenn man weiß, dass der eine oder andere Punkt momentan nicht passt, und
dass man gezielt an diesen Punkten arbeitet. Genauso wenig sollte man die
Stärken vergessen. Wahrscheinlich arbeitet man aber eher an den Schwächen,
weil die Stärken einfach da sind und in den verschiedenen Trainingsformen
immer automatisch eingesetzt werden. Ich versuche im Torwarttraining eher
meine Schwächen bewusst auszumerzen und in anderen Trainingsformen oder im
Spiel kommen dann eher die Stärken zum Vorschein, so dass diese zumindest
indirekt trainiert werden.
torwart.de: Was hat sich Deiner Meinung nach im Profibereich in
den letzten 5 Jahren am Torwartspiel verändert ?
Stefan Wessels: Ingesamt hat sich der Trend noch weiter verstärkt,
dass der Torwart noch besser mitspielen muss. Die fußballtechnischen
Anforderungen an den Torhütern sind momentan sehr ähnlich zu denen der
Feldspieler. Ein Torhüter muss heute auch sehr gut mit dem Ball umgehen
können.
Durch die Neuartigkeit der Bälle werden die Schüsse immer schneller und
die Flugbahn der Bälle unberechenbarer. Das ist einer der wichtigsten
Punkte, auf die man sich einstellen muss. Somit sind sehr viele Bälle nicht
festzuhalten, es wird immer mehr gefaustet. Klar entwickelt sich alles
weiter. Ich denke jedoch, dass die Bälle eher auf die Spieler bzw. Stürmer
zugeschnitten sind.
torwart.de: Was ist das Besondere für Dich, in Köln zu spielen ?
Stefan Wessels: Ganz Köln ist fußballverrückt. München ist auch
schon sehr fußballbegeistert, doch in Köln ist alles noch etwas emotionaler.
Die Emotionen können sich dabei in beide Richtungen äußern. Mein Kollegen
haben wir folgende Geschichte erzählt, die ich glücklicherweise nicht
persönlich erlebt habe: Als vor einigen Jahren die Mannschaft des FC nicht
gut gespielt hat, haben einige Restaurants/Diskos den Kölner Spielern den
Zutritt verwehrt. Andererseits werden die FC-Spieler bei Erfolgen in der
Stadt als Könige gefeiert. Sehr viele Kölner hängen sehr stark an ihrem FC.
torwart.de: Welche Berührungspunkte hast Du mit den Medien ?
Stefan Wessels: Die Medien gehören einfach dazu. Ohne die Medien
würden wir alle deutlich weniger Geld verdienen, da das Interesse am Fußball
ohne die Medien deutlich geringer wäre. Von daher muss man mit den Medien
gut umgehen können. Andererseits ist es auch nicht immer ganz einfach, bei
dem was die Medien über den Einzelnen berichten und schreiben. Wenn man aber
weiß, dass es ein Geben und Nehmen ist, dann kann man sich damit auch
arrangieren und über die eine oder andere Schlagzeile hinwegsehen.
torwart.de: Welche persönlichen Ziele hast Du Dir für die Saison
gesetzt ?
Stefan Wessels: Persönlich möchte ich ein gutes Jahr spielen. Ich
möchte zeigen, dass ich mich gegenüber dem ersten Bundesligajahr vor 2
Jahren wieder weiterentwickelt und verbessert habe. Entscheidend aber ist,
dass wir die Klasse mit dem FC halten. Schön wäre es, wenn wir ein relativ
ruhiges Jahr hätten und nicht im unteren Bereich der Tabelle drin hängen, so
dass wir uns in der Bundesliga etablieren können. Mit den ersten beiden
Siegen gegen Mainz und in Stuttgart haben wir zumindest für den Anfang die
Grundlage für Ruhe im Verein gelegt. Ein Traumstart von uns…
torwart.de:Was würdest Du zur Schlagzeile sagen: "Stefan Wessels
im Kader der Nationalmannschaft bei der WM2010 in Südafrika" ?
Stefan Wessels (lachend): Da hätte ich kein Problem damit. Das
würde ich so hinnehmen !
torwart.de: Stefan, vielen Dank für das ausführliche Interview.
Wir wünschen Dir und dem FC Köln für die kommende Saison alles Gute und viel
Erfolg.
Stefan Wessels: Vielen Dank! Ich wünsche den Besuchern von
torwart.de selber auch alles Gute in ihren Vereinen.
Kommentare (0)
Keine Kommentare vorhanden!