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"Hautnah" bei torwart.de

David Thiel: "Beim Gegentor geht der Blick zuerst auf den Torwarttrainer"

von Tobias Schlitzke


David Thiel ist seit 3,5 Jahren Torwarttrainer bei Bayer Leverkusen. Thiel hat Bernd Leno maßgeblich aufgebaut und hat seinen Anteil daran, dass der Keeper nun sogar in die Nationalelf berufen wurde. Mit torwart.de sprach Thiel über seinen und Lenos Weg dorthin.

torwart.de: David, gegen den FC Augsburg unterlief Bernd Leno ein äußerst unglücklicher Fehler. Was war deine erste Reaktion?

David Thiel: Ich dachte: Mist! Ist das gerade wirklich passiert?

torwart.de: Gingen die Blicke deiner Kollegen auf der Bank sofort auf dich?

Thiel: Tatsächlich geschieht das bei Gegentoren oft, dass die Blicke auf den Torwarttrainer gehen. (lacht) Aber in diesem Moment habe ich nur die Situation beobachtet und meine Kollegen gar nicht wahrgenommen.

torwart.de: Bist du direkt auf Bernd zugegangen nach diesem Fehler?

Thiel: Ich bin in der Halbzeit kurz hin zu ihm und habe gesagt, dass es weiter geht. Aber er war schon wieder voll konzentriert. Nach dem Spiel haben wir uns das noch einmal angeschaut und diskutiert.

torwart.de: Wie geht denn Bernd direkt mit Fehlern um?

Thiel: Sehr gut – da ist er wirklich stark! Bernd hat generell eine geringe Fehlerquote, aber natürlich unterlaufen auch ihm hin und wieder mal Fehler. Davor ist niemand gefeit. Aber er ist dann meistens in der Lage, unbeeindruckt weiter zu spielen. In Dortmund zum Beispiel bekommt er ein Gegentor nach einer sehr kniffligen Situation und spielt danach weiter, als wäre nix gewesen und hat noch richtig gute Aktionen. Das ist schon bemerkenswert.

torwart.de: Ist psychologisches Training eigentlich die Grundlage für diese mentale Stärke?

Thiel: Nein. Obwohl es erlernbare Techniken/Kniffe gibt, wie man mit Fehlern umgehen kann. Solche Themen, die ich persönlich sehr interessant finde, bespreche ich häufig mit unserem Sportpsychologen. Aber im Kontext mit Bernd war das bisher kein Thema, weil er es einfach in sich trägt.

torwart.de: Wie kam es eigentlich zu diesem Fehler in Augsburg?

Thiel: Nun ja, man kann die Situation unter mehreren Aspekten bewerten: Zum Beispiel dem Anbietverhalten oder auch der Frage, warum der Ball nicht seitlich vom Tor zurück gespielt wurde. Letztendlich war aber auch genug Zeit, um den ersten Kontakt aus der Drucksituation zu machen und dann den sauberen Ball zu spielen. Bernd hat sich aber sehr früh entschieden, den Ball direkt in die Spitze zu spielen. Dass der Ball dann unmittelbar in der Schussbewegung versprungen ist, war dann auch viel Pech…

torwart.de: Also hing das gar nicht mehr nach für ihn?

Thiel: Nein. Wie gesagt, sowas kann er schnell abhaken und nach einem schlechten Spiel auch sofort wieder eine gute Leistung bringen. Nach dem Fehler war er ja erstmal bei der Nationalmannschaft, und gegen den HSV hat er sofort wieder ein gutes Spiel gemacht und uns die Null gesichert.

torwart.de: Stichwort Nationalelf: War es für dich eine Genugtuung, dass Bernd die Einladung bekommen hatte?

Thiel: Klar, ich habe mich sehr für ihn gefreut! In erster Linie war es für ihn einfach eine Bestätigung für die guten Leistungen auf höchstem Niveau in der Bundesliga und in der Champions League über einen langen Zeitraum hinweg. Er wollte das unbedingt erreichen. Deswegen war die Einladung schon wichtig.

torwart.de: Bernd hat sich auch in den Medien offen positioniert. Ist das etwas, was ihr besprecht?

Thiel: Nein, sowas geschieht spontan. Wenn er seine Leistung bringt, dann kommt man an ihm nicht vorbei. Aber ich denke, es ist legitim, wenn man darauf angesprochen wird, sich durchaus auch in der Öffentlichkeit zu äußern und seine Ambitionen zu formulieren.

torwart.de: Aktuell ist die Konkurrenzsituation aber sehr groß dort.

Thiel: Das stimmt. Im Moment haben wir in der Spitze sehr gute Torhüter. Die Generation um Leno, ter Stegen, Trapp, etc. ist sicherlich eine außergewöhnliche.

torwart.de: Die angesprochenen Torhüter sind alle auf ähnlichem Niveau. Gibt es dabei überhaupt noch Unterschiede?

Thiel: Ja, auf jeden Fall! Da gibt es schon klare Unterschiede: Manuel Neuer traut sich im Raum enorm viel zu und entschärft mit viel Risiko viele Situationen schon vorab. Marc-Andre ter Stegen ist ein sehr guter Fußballer und Bernd ist in der Torverteidigung überragend.

torwart.de: Bernd war relativ begeistert von Manuel Neuer nach der Nationalelf.

Thiel: Ja, Manuel Neuer hat nochmal einiges an Erfahrungswerten voraus. Das ist dann schon sehr interessant, mit ihm zu trainieren.

torwart.de: Wie war das TWT für ihn in der Nationalelf?

Thiel: Sehr gut! In den zehn Tagen hatten sie allerdings gar nicht so viele Einheiten, da ja noch zwei Spiele auf dem Programm standen. Aber es hat ihm auf jeden Fall einen Schub gegeben.

torwart.de: Wie enttäuscht war Bernd über den Status als Nummer zwei bei der EURO der U21?

Thiel: Das war schon sehr unbefriedigend. Denn wenn man dort hinfährt, will man natürlich auch unbedingt spielen. Aber als er aus der Sommerpause kam, war das Thema weitestgehend abgehakt.

torwart.de: Was sind deine langfristigen Ziele mit Bernd?

Thiel: Ganz einfach: Torverteidigung auf höchstem Niveau weiter festigen, Verteidigen im Raum weiter fördern (hierzu bietet unsere Spielweise gute Möglichkeiten), Spieleröffnungen weiterentwickeln. Kurzfristig ist allerdings die größte Herausforderung, mit den hohen Belastungen umzugehen und alle 3 Tage wieder leistungsfähig zu sein!

torwart.de: Kommen wir auf dein Torwartteam: Du hast mit Dario Krešić und David Yelldell zwei erfahrene Keeper im Team.

Thiel: Ich denke, dass wir eine gute Mischung haben und es zwischen den beiden und Bernd gut passt. Da sind wir gut aufgestellt.

torwart.de: Niklas Lomb wurde aber nun schon zum zweiten Mal ausgeliehen. Hat er keine Perspektive bei euch?

Thiel: Niklas ist ein junger Torwart mit sehr viel Potenzial, aber hier in der Konstellation mit Bernd hätte er kaum Möglichkeiten gehabt, zu spielen. Von daher ist das Ausleihgeschäft aktuell optimal für ihn. Niklas macht seine Sache bei Preußen Münster wirklich toll und entwickelt sich erwartungsgemäß sehr gut. Das behalten wir natürlich im Blick und damit alle Optionen offen…

torwart.de: Kann einem auch mal ein Jahr auf der Bank in einem Profiteam weiterhelfen?

Thiel: Absolut! Zu einer CL-Mannschaft zu gehören und sich auf Top-Niveau zu bewegen, kann jeden weiterbringen. Niklas Lomb hat im ersten Halbjahr 2014/15 gezeigt, dass man sich so sehr gut weiter entwickeln und für den nächsten Schritt qualifizieren kann. Für einen ganz jungen Torwart sollte der Zustand wegen der Spielpraxis aber nicht zu lange anhalten…

torwart.de: Wie zufrieden bist du mit dem Saisonstart?

Thiel: Ich finde, dass wir richtig gut in die Saison gestartet sind. Vor allem die Qualifikation für die Champions League war für Mannschaft und Verein enorm wichtig. Zuletzt lief es sicherlich nicht immer so, wie wir es uns vorgestellt haben. Aber wir haben einige verletzte Spieler, zudem eine sehr junge Mannschaft, da kann es schon mal sein, dass zwischendurch auch noch Luft nach oben ist.

torwart.de: Wie läuft deine Arbeit mit Roger Schmidt?

Thiel: Der Wechsel auf Roger Schmidt war für mich ja die erste richtige Trainerumstellung im Profibereich, und da haben sich zunächst natürlich einige Rahmenbedingungen verändert. Die Arbeit mit ihm ist aber deshalb so interessant, weil er sehr detailversessen ist und auch eine Vorstellung vom Torwartspiel im Hinblick auf unsere Spielweise hat. Vor allem in Bezug auf die Schnittstellen in Raumverteidigung und Spieleröffnung gilt es diese natürlich ständig abzugleichen.

torwart.de: Wie siehst du generell deine Arbeit?

Thiel: Ganz klar: Im Groben und Ganzen waren die 3,5 Jahre richtig gut und ich konnte auf der einen Seite meine Arbeit umfassend einbringen und auf der anderen Seite viel Erfahrung mitnehmen. Ich bin aber niemand, der sich ausruht. Es gilt weiterhin, viele Dinge nach vorne zu entwickeln. Dafür ist es wichtig, sich ständig viel anzuschauen und sich Gedanken über das Torwartspiel zu machen und darüber hinaus einen guten Austausch über die Themen zu haben.

torwart.de: Danke sehr.

Thiel: Bitte!


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