Schon vor der WM 2014 in Brasilien waren die Belgier bei Buchmachern und Experten als Geheimtipp hoch im Kurs – der große Coup blieb allerdings mit einer knappen Niederlage im Viertelfinale gegen Argentinien noch verwehrt. Die mit etlichen Stars um Kevin de Bruyne (Manchester City) oder Eden Hazard (Chelsea) gespickte Mannschaft scheint nach einer langen Durststrecke bei Europameisterschaften - seit 2000 im eigenen Land konnte man sich nicht qualifizieren - dafür nun umso bereiter.
In der Qualifikation behielten die Belgier in der Gruppe B als Tabellenerster souverän die Oberhand, was sicherlich unter anderem den lediglich fünf Gegentoren in zehn Spielen geschuldet ist. Auch beim Turnier in Frankreich wird die unumstrittene Nummer eins wohl Thibaut Courtois vom FC Chelsea sein. Der 24-jährige gehört trotz seines jungen Alters schon zu den ganz großen Torwarten im europäischen Fußball und belegte 2014 Platz zwei bei der Wahl zum Welttorhüter.
Im Allgemeinen gehören Schlussmänner ja nicht zu den kleinsten Spielern, aber der 1,99 Meter-Schlacks Courtois sticht mit seiner Größe noch einmal hervor – ein enormer Vorteil vor allem beim Abfangen von Flanken sowie auf der Linie. Und trotz der Größe zeichnet er sich auch noch durch Beweglichkeit und Schnelligkeit aus. Fähigkeiten, die gepaart mit einer hervorragenden Antizipation die gegnerischen Stürmer im eins-zu-eins ein ums andere Mal schier zur Verzweiflung bringen.
Hinzu kommt die Erfahrung aus den großen Ligen (drei Jahre bei Atlético Madrid und zwei Jahre bei Chelsea) sowie in der Champions League und bei der WM. Es gibt wenig Torhüter, die in diesem Alter schon solch eine Gelassenheit ausstrahlen. Belgien kann sich bei der EURO 2016 auf einen sicheren Ruhepol im Kasten verlassen, bei dem einzig die Qualitäten mit dem Ball am Fuß sich nicht auf Weltklasse-Niveau bewegen.
Komplettiert wird die belgische Schlussmann-Riege durch Simon Mignolet vom FC Liverpool als Back-Up für Courtois sowie Jean-Francois Gillet (KV Mechelen) als Torwart Nummer drei. Mignolet – seit drei Jahren Stammkeeper bei den von Jürgen-Klopp trainierten Engländern – ist alles andere als ein Schlechter: Stark auf der Linie und mit vortrefflichen Reflexen ausgestattet. Allerdings gibt es bei Mignolet immer auch mal wieder Spiele mit mehr oder minder kleinen Aussetzern – es fehlt noch etwas die Beständigkeit. Hinzu kommt, dass der 28-jährige längst nicht die Präsenz und Ausstrahlung der belgischen Nummer eins hat – vor allem im Strafraum.
Gillet wurde im Jahr 2009 das erste Mal für die „Rode Duivels“ (roten Teufel, wie sich die Belgier selber nennen) nominiert, hat seitdem aber erst neun Länderspiele absolviert. Experten schätzen vor allem Erfahrung und die langen Pässe zum Mitspieler. Ende Mai wird der Blondschopf allerdings schon stolze 37 Jahre alt und dürfte wohl vor allem als gute Seele mit ins Nachbarland fahren, um von der Bank noch einmal sein letztes großes Turnier zu erleben.
Alles in allem lässt sich konstatieren: Bleibt Courtois gesund, wird die Torhüterposition für den momentanen Zweiten der FIFA-Weltrangliste in Frankreich alles andere als eine Schwachstelle sein. Die Frage für Trainer und Schalke-Legende Marc Wilmots wird wohl eher lauten, wie die Defensive den Ausfall von Abwehr-Chef Vincent Kompany kompensieren kann.