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Home > Archiv > WM 2018 > Schliecks-WM-Kolumne > Kolumne V - Unterschiede bei der Raumverteidigung

Thomas Schlieck schaut sich für torwart.de die WM aus einem besonderen Blickwinkel an...

"Große Qualitätsunterschiede bei der Raumverteidigung bei Standardsituationen"

Blicken wir in meiner abschließenden WM-Kolumne nochmals auf das WM-Finale zurück. Die Kroaten hatten durchaus die Möglichkeit für eine Überraschung im Finale zu sorgen. In der ersten Halbzeit war Kroatien sogar phasenweise die bessere Mannschaft. Das Spiel bot sehr viel Gesprächsstoff rund um die Torhüter. Daniel Subasic, der im Tor der Kroaten bis vor dem Finale eine sehr gute WM spielte und einen großen Anteil am Erreichen des Finales hatte, konnte im Finale seine bisherigen Leistungen nicht ganz bestätigen.

Außer dem Elfmetertor zum 2:1 war er bei den drei anderen Toren nicht völlig machtlos. Das 1:0 der Franzosen fiel nach einem Freistoß, den Griezmann geschickt provozierte. Der Defensivverbund der Kroatien entschied sich bei der halblinken tornahen Freistoßsituation für eine sehr tiefe Staffelung. Die letzte Reihe stand bei der Ausführung des Freistoßes nur 6 Meter von der Torlinie entfernt. Dies hatte zur Folge, dass Subasics' Aktionsraum für die Verteidigung des Raumes sehr begrenzt war und eine Möglichkeit zur Raumverteidigung nicht mehr gegeben war.

Zudem stellten die Kroaten nur eine Ein-Mann-Mauer. Hier wäre zumindest eine Zwei-Mann-Mauer besser gewesen. Subasic platzierte sich wegen der kleinen Mauer sehr weit links. Bei der Ausführung des Freistoßes ging er etwas nach vorne und der von Mandzukic unglücklich verlängerte Ball schlug in der rechten Torwartecke ein, die Subasic bei idealem Positionsspiel deutlich hätte besser abdecken können.

Subasic im Finale nicht völlig machtlos

Auch bei den Toren zum 3:1 und 4:1 war Subasic nicht völlig machtlos. Bei beiden Treffern war sein Positionsspiel nicht optimal. Beim 3:1 durch Pogba bewegte sich Subasic beim Torabschluss in die Tormitte und war damit mit beiden Beinen in Bewegung, so dass er nicht mehr zur rechten Seite abkippen konnte. Bei Mbappes Tor zum 4:1 passte sein Positionsspiel nicht und auch hier war der kroatische Torwart nicht rechtzeitig fertig, um eine erfolgreiche Abwehraktion des scharf geschossenen Balles auszuführen.

Hugo Lloris trotz Fehlers einer der Besten

Hugo Lloris gehört für mich trotz seines schweren Fehlers im Finale zu den besten Torhütern der WM. Beim Stande von 4:1 für Frankreich ging er bei der Verarbeitung des Rückpasses ein sehr hohes Risiko ein. Mandzukic lief Lloris geschickt im Bogen an und stelle damit Lloris' Passoption auf den linken zentralen Verteidiger zu. Lloris legte sich den Ball kurz auf die rechte Seite und wollte den Ball mit der linken Außenseite zum linken zentralen Innenverteidiger spielen. Mandzukic antizipierte jedoch die Situation, rückte mit hohem Tempo näher an Lloris heran. Mit dem langen Bein konnte der Kroate den Pass erreichen und den Ball sogar direkt ins Netz befördern. Eine deutlich besser ausgeprägte Beidfüßigkeit bei Lloris hätte in dieser Spielsituation weitere Lösungsmöglichkeiten für den unter Druck geratenen Weltmeistertorwart gebracht. Dieser Gegentreffer wäre mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht gefallen und Lloris hätte womöglich sogar die Auszeichnung zum besten Torwart der WM erhalten.

Courtois mit der besten Turnierleistung

Thibaut Courtois hat einen großen Anteil am Erfolg der Belgier. Der Belgier zeigte eine fehlerfreie WM und besonders beeindruckend war seine Leistung im Viertelfinale gegen Brasilien. Neben seinen spektakulären Paraden überzeugte er auch mit einer sehr sicheren Strafraumbeherrschung und Spieleröffnung, wie er sie beim Siegtreffer der Belgier gegen Japan im Achtelfinale gezeigt hat. Erst schnappte er sich den Eckball und leitete gedankenschnell den überfallartigen Konter der Belgier ein. Courtois hat zu Recht die Auszeichnung des besten WM-Torwarts erhalten.

Die Schweizer Nummer 1, Yann Sommer, konnte mich trotz des frühen Ausscheidens im Achtelfinale ebenso überzeugen. Ihm gelang in allen Belangen ein solides Turnier. Seine gute Leistungen in der Raum- und Torverteidigung, Spieleröffnung mit hoher Qualität zeigen wie der Schweizer auch in der Bundesliga zu einem Weltklassetorwart gereift ist.

Pickford steht für die verbesserte englische Torwartausbildung

Die guten Leistungen von Englands Jordan Pickford zeigen, dass sich in England in Sachen Torhüterausbildung in den letzten Jahren sehr viel getan hat. Mit lediglich vier Länderspielen sprach Englands Trainer Southgate Jordan Pickford das uneingeschränkte Vertrauen für die WM aus. Der 24-Jährige, der mit einer positiven Ausstrahlung und sehr vielen Emotionen in jedem Spiel auftrat, vermittelte einen äußerst dynamischen und reaktionsschnellen Eindruck. Mit seinem linken Fuß hat er eine herausragende Qualität in der Spieleröffnung. Mit optimal getimten und präzisen Flugbällen brachte er reihenweise die schnellen englischen Spitzen ins Spiel. Im Achtelfinale gegen Schweden bewahrte Pickford die Engländer mit sehenswerten Paraden vor dem Ausgleich. Ärgerlich muss für Pickford das 1:2 gegen Kroatien im Halbfinale gewesen sein als Mandzukic ein Zuspiel in die Tiefe mit dem ersten Kontakt in die linke Ecke abschloss. Pickfords Stellungsspiel und seine Balance war nicht hundertprozentig optimal. Trotzdem gehört Pickford zu den positiven Überraschungen der WM und zählt zu den besten Torhüter des Turniers.

Drei erkennbare Fehlermuster bei den WM-Toren

Von den 169 gefallenen Toren, die 23 Elfmeter beinhalteten, konnte man bei knapp 35% ein Fehlverhalten der Torhüter erkennen. Häufige Fehlermuster waren die Position im Moment des Schusses, die fehlende Balance des Torhüters und das nicht rechtzeitige Fertigsein beim Torschuss. Über alle Torhüter hinweg würde ich von einer eher durchschnittlichen Leistung sprechen. Einige Torhüter, wie z.B. Südkoreas Nummer 1 Sun, der im Spiel gegen Deutschland über sich hinaus wuchs, konnten punktuell auf sich aufmerksam machen.

Torwart bleibt in erster Linie Defensivspieler

Die Torhüter wurden bei der WM erwartungsgemäß sehr oft in das Aufbauspiel der Mannschaften einbezogen. Besonders im Spiel gegen defensiv ausgerichtete Mannschaften waren dabei die WM-Torhüter gefragt. Trotzdem sehe ich den Torwart nach wie vor in erster Linie als Defensivspieler. Die erste Priorität des Torwarts ist nach wie vor bei Ballverlust der eigenen Mannschaft oder bei gegnerischem Ballbesitz, sofort das eigene Tor zu verteidigen. Die Möglichkeiten des Torhüters als Offensivspieler konzentrieren sich daher auf die schnelle Spieleröffnung und das Bilden einer Kette mit den Innenverteidigern und den Torhütern, bei der der Torhüter aber aus einen stumpfen Dreieck leicht versetzt agieren sollte. In der Torwartausbildung heißt das, dass auf die Beidfüßigkeit, auf die hohe Qualität des ersten Kontakts und das Verarbeiten von Bällen mit dem Fuß unter Druck weiter geachtet werden sollte.

Bei keiner WM fielen mehr Tore durch Standardsituationen Die einstudierten Varianten vieler Mannschaften stellten die Torhüter und Abwehrreihen vor große Probleme.

Bei Standardsituationen erkennen wir bei den Torhütern große Qualitätsunterschiede

Künftig werden sich weitere Qualitätsunterschiede zwischen den Torhütern bei der Raumverteidung im Bereich von Standardsituationen ergeben und die Spreu vom Weizen trennen. Die Fähigkeit in Sekundenbruchteilen die richtige Entscheidung zu treffen, ob der Torhüter die Freistoßflanke oder den Eckball attackieren sollte, wird die Spitzentorhüter künftig noch mehr von den durchschnittlichen Torhütern unterscheiden. Die Konsequenzen für die Torhüterausbildung wird dadurch sein, dass noch mehr Wert auf die Verteidigung des Raums gelegt werden muss. Dies sollte spielnah und unter Einbeziehung der beteiligten Spielern aus der Defensive und Offensiv organisiert werden. Die Umsetzung dessen die Vereine und Teams im Nachwuchs- und Leistungsbereich vor weiteren Herausforderung aus Sicht des Trainerpoersonals und der Trainingsorganisation stellen.

Den jungen Torhütern Freiräume geben

In der Torwartausbildung bei Borussia Dortmund legen wir bereits großen Wert auf diese Aspekte. Je besser unsere Torhüter im Bereich der Raumverteidigung besser geschult sind, um so eher wird eine Torhüterleistung auf hohem Niveau künftig möglich sein. Sehr wichtig ist, dass die jungen Torhüter auch Freiräume bei der Ausführung eingeräumt bekommen. Torwartfehler bei der Raumverteidigung müssen eingeräumt und toleriert werden, so dass die jungen Torhütern möglichst viele Erfahrungen im Bereich der Raumverteidigung machen können und aus ihren Fehlern lernen können. Damit legen wir einen wichtigen Grundstein, damit auch bei künftigen Weltmeisterschaften die Torhüter der deutschen Nationalmannschaft wieder zu den Toptorhütern gezählt werden.


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