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Home > Archiv > EM 2021 > Schliecks-EM-Kolumne > Kolumne II - Rückblick auf das Spiel gegen Ungarn

Thomas Schlieck schaut sich für torwart.de die EM 2021 aus einem besonderen Blickwinkel an...

Schwieriges Spiel gegen Ungarn

Die deutsche Mannschaft tat sich gegen Ungarn sehr schwer. Die Ungarn haben leidenschaftlich gespielt und sie wollten das Spiel ihrerseits unbedingt gewinnen. Möglicherweise wurden die Ungarn von unserer Mannschaft auch etwas unterschätzt, da die Ungarn Kräfte in den vergangenen beiden Spielen gelassen hatten und das Spiel nicht als Heimspiel in München stattfand. Doch die Ungarn warfen alles, was sie hatten, in die Waagschale. Sie waren enorm zweikampfstark und feierten sich gegenseitig nach jedem gewonnenen Duell. Der Spielverlauf spielte den Ungarn in die Karten. Mit dem 1:0 und dem postwendenden 2:1 hatten sie ihre Topmomente. Fast wäre den Ungarn die Sensation geglückt.

Statisches Spiel der deutschen Elf ohne Durchschlagskraft

Die Ungarn spielten aus einer kompakten Abwehr heraus und ließen die deutsche Mannschaft anrennen. Die Deutschen spielten sehr statisch und kamen nur selten hinter die starke Abwehrkette der Ungarn. Insgesamt verfügte das deutsche Spiel über zu wenig Tempo- und Positionswechsel. So wurde die ungarische Abwehr und unser Leipziger-Torwart Peter Gulacsi nur selten vor große Probleme gestellt. Erst die Wechsel von Musiala und Torschütze Goretzka brachten weiter Schwung in das Spiel und den späten Ausgleich. Wir können froh sein, dass die Mannschaft das Achtelfinale erreicht hat. Im kommenden Achtelfinale gegen England wird sich Mannschaft auf alle Fälle anders zeigen müssen, um bestehen zu können.

Bei allen vier Toren agierten die Torhüter nicht optimal

Ich denke, bei allen vier Toren waren Neuer und Gulacsi nicht unbeteiligt. Manuel Neuer war bei beiden Toren der Ungarn nicht chancenlos. Das 0:1 durch Szalai war ein sogenannter Kann-Ball. Der Kopfball aus gut 12 Metern war sehr wuchtig und setzte kurz vor Neuer auf dem nassen Rasen noch auf. Es fällt auf, dass sich Neuer im Moment des Kopfballs noch in der Durchführung seines Auftaktsprungs befindet. Damit bekommt er zu spät den Bodenkontakt, um den Abdruck in die linke Torwartecke rechtzeitig einzuleiten. Wenn er schneller auf dem Boden gewesen wäre und die zweite Hand noch in Richtung Ball hätte führen können, dann wäre der Ball auch zu halten gewesen.

Falsche Entscheidung beim 1:2

Nach dem erlösenden 1:1 kann Andras Schäfer sofort nach dem Wiederanpfiff die erneute Führung erzielen. Neuer entschied sich, den in die Tiefe gespielten Ball zu attackieren und trifft die falsche Entscheidung. Der Weg zum Ball war zu weit und Hummels und Sané standen näher am schnellen Schäfer, der per Kopf den Ball im Tor unterbrachte. Neuer wäre besser kurz vor der Torlinie geblieben, dann hätte er den eher harmlosen Kopfstoß des Ungarn ohne Probleme aufnehmen können. Ich hatte den Eindruck, dass Torwart Neuer Hummels und besonders Sané in dieser Situation „helfen“ wollte, und damit die nicht optimale Entscheidung des Herauslaufens traf.

Wie korrigiert man falsche Entscheidung?

Als Neuer erkannte, dass seine Entscheidung des Herauslaufens falsch war, hätte er noch die Möglichkeit gehabt, das Herauslaufen abzubrechen und zurückzuweichen. Auch einfach das Herauslaufen sofort abbrechen und sofort zum Stehen kommen und sich sofort auf die Verteidigung des Tors zu konzentrieren, wäre eine gute Option gewesen.

Peter Gulacsi zeigte bis zum Ausgleich der Deutschen ein sehr souveränes Spiel. Noch vor dem Ende der deutschen Meisterschaft haben wir Pete bei RB Leipzig ein paar Tage mehr Erholung gegeben, um körperlich und mental für die notwendige Frische für das EM-Turnier zu sorgen. Nach fast 50 Spielen in mehreren Wettbewerbern war dies auch dringend notwendig für unseren RB-Torwart. In den Spielen gegen Portugal und Frankreich spielte Gulacsi sehr stark und war sehr wichtig im Spiel der Ungarn.

Schwierige Schritttechnik führte zum Fehler beim 1:1

Kimmich brachte einen Freistoß aus dem Halbfeld vor das ungarische Tor auf Hummels. Gulacsi zeigte sich mutig und entschloss sich, die Freistoßflanke 6 Meter vor dem Tor mit einer Faust zu attackieren. Das war für mich die grundsätzlich richtige Entscheidung, wenngleich es ein sehr gefährlicher Flankenball war: der Zielraum war weit weg vom Tor und der Ball drehte sich nach außen weg vom Tor. Gulacsi ging mit seitlich rückwärtsgerichteten Kreuzschritten - einer sehr schwierigen Schritttechnik - zum Ball.

Er brach den Lauf zum Ball etwas zu früh ab, so dass er seinen Körper nicht komplett hinter den einfliegenden Ball bringen konnte. So verfehlte Gulacsi den Ball und Hummels blieb unbeirrt und köpfte den Ball mit einem guten Offensivkopfball zum Tor, wo Havertz nur noch einnicken brauchte.

Auch wenn Gulacsi im ersten Augenblick die Hände über den Kopf schlug, rappelte er sich sofort wieder auf, holte den Ball aus dem Tor und signalisierte damit seinem Team, dass das Spiel weiter gehen würde. Er fand sofort wieder zu seiner gewohnten Sicherheit und Souveränität. Seine langjährige Erfahrung half ihm dabei.

Gulacsi spielt nicht mit einer Fehlervermeidungsstrategie

Diese Art von Fehlern können immer wieder passieren - egal auf welchem Level man sich bewegt. Eine der Stärken von Gulacsi ist jedoch, dass er keine Angst vor Fehlern (Fehlervermeidungstrategie) hat und auch Bälle angreift, die mit einem gewissen Risiko behaftet sind. Das macht ihn wertvoll für sein Team und zeichnet die Qualität seines Torwartspiels aus.

Besonders für den Torwartausbildungsbereich ist es sehr wichtig, dass die Trainer die Torhüter unterstützen und bestärken, dass sie mutig sind und auch Fehler machen dürfen. Damit können die jungen Torhüter sich in neue Situationen hineinbegeben und lernen, welche Konsequenzen ihre Entscheidungen haben. Dies ist elementar für die Ausbildung der Torhüter.

Für die jungen Torhüter ist dies ein enorm wichtiger Lernprozess. Das Ausprobieren von neuen Situationen, ist elementar wichtig in der Torhüterausbildung.

2:2 – Abtauchen und Abwehr mit der Hand als Option

Das 2:2 von Goretzka war für Gulacsi schwer zu halten. Der Ball wurde noch kurz vor ihm abgefälscht und veränderte damit die Flugbahn leicht. Da er mit dem Fuß den Ball abwehrte, war die Fläche des Fußes sehr klein, um den Ball noch entscheidend abzulenken. Ein schnelles Abtauchen und mit der Hand den Ball abzuwehren, wäre eine aussichtsreiche Option gewesen. Eine Vergrößerung der Flächengröße und die damit bessere Ballkontrolle wäre möglich gewesen.

Die Ungarn haben mich bei diesem Turnier überrascht. Mit zwei Unentschieden und einer Niederlage in den letzten Minuten gegen Portugal können Peter Gulacsi und seine Teamkollegen auf das Abschneiden sehr stolz sein. Wir freuen uns in Leipzig, wenn er wieder nach der EM ins Training einsteigt. Wir werden auch alle Spiele von Gulacsi in die Analyse bei RB Leipzig einfließen lassen. Unser Torwarttrainer Freddy Gößling wird mit Pete die Spiele und die Tore und Aktionen durchsprechen und weiter analysieren.

Durchwachsene Torhüterleistungen in der Gruppenphase – Olsen sehr stark

Die Torhüterleistung in den Gruppenspielen waren durchwachsen. Schwedens Olsen zeigte im ersten Spiel gegen Spanien eine bärenstarke Leistung und sicherte den Schweden einen Punkt. Er hatte im Tor der Schweden fast bei jedem Spiel alle Hände voll zu tun und hielt sehr viele Bälle. Beim Spiel mit dem Fuß wurde Olsen bisher wenig gefordert.

Mit jedem Spiel steigerte sich Olsens Selbstbewusstsein und er strahlte große Sicherheit aus. Ohne Olsen wären die Schweden kaum ins Achtelfinale eingezogen.

Auch der Torwart von Wales, Ward, zeigte eine sehr gute Leistung und qualifizierte sich mit Wales fürs Achtelfinale. Ward, der wie Olsen im Verein nur die Nummer zwei ist, stand auch immer wieder in der Torverteidigung im Brennpunkt und macht seine Sache sehr gut.

Zwar unterlief Lukas Hradecky gegen Belgien ein vermeidbares Eigentor, trotzdem hat er eine gute EM gespielt. Yann Sommer spielte ein gutes drittes Spiel gegen die Türkei nachdem er von der Geburt seines Kindes ins Team zurückgekehrte. In den ersten beiden Spielen gegen Italien und Wales hatte er nicht so stark gespielt und musste Tore auch außerhalb des Strafraums hinnehmen.

Das Eigentor von Dubravka war natürlich sehr kurios als er sich im Stile eines Volleyballers den Ball ins eigene Tor „schmetterte“. Wenig geprüft, aber souverän spielten Italiens Donnarumma und Courtois von Belgien. Schmeichel wirkte nicht immer souverän und manche Dinge löste er doch eher unorthodox.

Manuel Neuer hat mir in den bisherigen Spielen im Bereich der Spieleröffnung sehr gut gefallen. Er erkannte die Passfenster und konnte damit häufig die erste Pressinglinie des Gegners überspielen und das Spiel der Mannschaft mit Dynamik eröffnen.

In den anstehenden KO-Spielen wird es noch mehr auf die Leistung der Torhüter ankommen. Eine gute Torwartleistung kann das Weiterkommen des Teams sichern.

Fußballklassiker im Wembley gegen England

Die deutsche Mannschaft trifft im Klassiker auf England im Achtelfinale. Die Engländer sind noch nicht gut in das Turnier gestartet. Von den Einzelspielern ist England eine sehr gute Mannschaft. Die Engländer werden von den 45000 Fans im Wembley Stadion angetrieben und werden das Spiel gegen die Deutschen offensiver gestalten. So werden sich Räume für die deutsche Mannschaft ergeben.

Jordan Pickford mit starkem linken Fuß

Mit Jordan Pickford hat England einen guten Torhüter, der jedoch nicht zu den Spitzentorhütern der Premier League zu zählen ist. Seine effektivste „Waffe“ sind die weiten und scharfen Pässe mit dem linken Fuß. Gekonnt setzt er damit immer wieder die englischen Spitzen in der gegnerischen Hälfte ein.

Die deutsche Abwehrkette und Torwart Manuel Neuer müssen sehr wachsam sein, um auf diese hinter die Ketten gespielten Bälle gut zu reagieren und sich nicht überraschen zu lassen. Die DFB-Elf kann sich deutlich intensiver mit England befassen und die Zeit zur Vorbereitung nutzen. Ich gehe davon aus, dass sich die eine oder andere Änderung in der Elf ergeben wird.

Ich denke, dass die Chancen bei 50/50 für beide Teams liegen. Sicherlich wird es auf die Leistungen von Neuer und Pickford in diesem Spiel im Detail ankommen. Ich drücke unserer Mannschaft die Daumen für ein erfolgreiches Achtelfinalspiel in einem wahren Fußballklassiker.


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