Im Alter von 15 Jahren kam er aus Nordhessen nach Bielefeld. Fünf Jahre später trainiert er mit dem Profikader und ist Stammtorhüter der U-23-Auswahl. Niklas Hartmann ist ein gutes Beispiel für die erfolgreiche Bielefelder Nachwuchsarbeit.
Text: Andreas Beune.
Im Liedgut der Arminen steckt viel Wahrheit. So lässt sich dem schönen Ohrwurm „Ein Ball, ein Schuss, ein Schrei, ein Tor“ entnehmen, dass Arminias Stürmer Spitze sind – eine Tatsache, die jedem Heranwachsenden bekannt ist. Diese Textzeile kann mühelos erweitert werden, um die Torhüter. Denn Arminia Bielefeld verfügt mit Dennis Eilhoff und Rowen Fernandez nicht nur über zwei erstklassige Schlussmänner, sondern auch über ein großes Torwarttalent, das in der laufenden Spielzeit sein ganzes Können in der U-23-Auswahl zeigt: den 20-jährigen Niklas Hartmann.
Die Freude am Fußball ist Niklas Hartmann im Gespräch anzuhören. Ganz gleich, ob es um die Anforderungen an das moderne Torwartspiel, die Vorzüge des Motivationstrainings oder um die eigene Laufbahn geht: Hier spricht einer, der Feuer und Flamme ist für seinen Job. Ein sympathischer junger Mensch, der mit offenen Augen durchs Leben geht.
Schon früh zeigte sich, dass Fußball für ihn mehr als nur ein Hobby ist. 14 Jahre alt war er, der Junge aus Reinhardshagen, einer 5.000-Einwohner-Gemeinde im hessischen Weserbergland, als ihn seine Mutter noch regelmäßig zum KSV Hessen Kassel chauffierte. Sie schaute sich das Training an und fuhr ihn anschließend wieder in den rund 30 Minuten entfernten Heimatort. Die Wege sollten weiter werden. Es gab Probetrainingseinheiten bei größeren Vereinen, sogar beim FC Liverpool stellte sich Niklas vor und staunte nicht schlecht über die professionellen Rahmenbedingungen im Jugendbereich, zu denen eine Halle mit Kunstrasenplatz ebenso gehörten wie Kabinen mit Whirlpool oder Krafträume.
Auch Arminia Bielefeld war auf Niklas Hartmann aufmerksam geworden, beim Trainingsspiel mit der A-Jugend ließ der 14-Jährige jeden Altersunterschied vergessen. Ein Jahr später wechselte er nach Ostwestfalen. „Den Ausschlag gegeben hat, dass sich Torwarttrainer Thomas Schlieck intensiv um mich bemüht hat“, blickt Niklas Hartmann zurück. Überzeugt hatte ihn die „Bielefelder Torwartschule“ des diplomierten Torwarttrainers. Zu dem vielgelobten Modell gehört unter anderem die Verzahnung von Jugend- und Amateurbereich sowie Profimannschaft.
Es folgte ein Umzug in die unbekannte Stadt. „Arminia war mir natürlich ein Begriff, aber von der Stadt wusste ich gar nichts“. Er wurde positiv überrascht und fühlt sich nach fünf Jahren heimisch am Teutoburger Wald. Dabei lernte er nicht nur Trainingsgelände und das angenehm familiäre Vereinsumfeld kennen, sondern auch die Klassenräume des Brackweder Gymnasiums. Weil die Schule einen Kooperationsvertrag mit Arminia Bielefeld hat, ließen sich Stundenplan und Fußballtraining gut miteinander vereinbaren.
In Bielefeld traf er auch auf einen alten Bekannten: Michael Gibhardt. Gibhardt hatte ihn als zunächst in seiner Funktion als Trainer am DFB-Stützpunkt des Hessischen Fußballverbandes Hartmann gefördert, später als Torwarttrainer von Hessen Kassel und als Jugendtorwarttrainer von Arminia Bielefeld. Mittlerweile ist Gibhardt beim SC Paderborn für das Torwarttraining zuständig, den Kontakt mit ihm hält Hartmann gerne.
Nach seinen Stärken gefragt, weicht Niklas Hartmann bewusst aus. „Entscheidend ist doch, dass ich weiter an meinem Ziel arbeite, ein kompletter Torhüter zu sein.“ Ein Keeper, der agiert statt reagiert, der die Anforderungen an Physis, Psyche, Koordination, Taktik und Technik meistert. Der das Verhalten in „1-zu-1-Situationen“ ebenso hart trainiert wie den Spielaufbau.
Was Niklas Hartmann zwischen den Pfosten zu leisten im Stande ist, konnten Beobachter in der NRW-Liga sehen. Seine Leistungen in der Vorrunde wurden in der Lokalpresse ebenso schlicht wie zutreffend mit dem Prädikat „überragend“ bezeichnet. Die gute Tabellenplatzierung zur Winterpause hat nicht zuletzt Hartmann festgehalten. „Wenn wir an die Leistungen der letzten Spiele der Hinrunde anknüpfen können, ist auch der Aufstieg in der NRW-Liga drin“, gibt sich Niklas Hartmann optimistisch.
An lobenden Worten sparte auch der DSF-Reporter nicht, der Anfang Januar das Hallenturnier in Frankfurt kommentierte. Kein Wunder, hatte Niklas Hartmann doch maßgeblichen Anteil daran, dass Arminia das Finale erreichte, das mit 0:2 knapp gegen den FC St. Pauli verloren ging. „Für die erste Mannschaft im Tor zu stehen, war eine tolle Erfahrung“, sagt Hartmann und fügt zugleich hinzu, dass es auch ein anstrengender Tag am Main war, schließlich musste man sich nach längeren Pausen immer wieder neu auf das Spiel konzentrieren.
Ein guter Torwart braucht bekanntlich nicht nur Reflexe und Sprungkraft, sondern auch mentale Stärken. „Wenige Menschen sind so einsam wie der Torwart in einem Stadion mit Tausenden Zuschauern nach einem Gegentor“, schreibt Ronald Reng in seinem vortrefflichen Buch „Traumhüter“. Konzentration in vielen unterschiedlichen Spielsituationen – auch daran arbeitet Niklas Hartmann Tag für Tag mit Torwarttrainer und Kollegen. Auch abseits des Platzes schärft er seinen Blick. „Wenn ich mir Fußballspiele im Fernsehen angucke, achte ich besonders auf die Torhüter. Manchmal weiß ich hinterher gar nicht, wie ein Spiel ausgegangen ist.“ Dafür hat er die Keeper genau unter die Lupe genommen, ihr Stellungsspiel, ihre Abwürfe, ihre Technik.