Wenn es um die Erlangung des torwartlichen Rüstzeugs geht, gilt im deutschen Fußball insbesondere eine Adresse als das Non-plus-Ultra: Die Torwartschule von Gerry „Tarzan“ Ehrmann. Tim Wiese, Roman Weidenfeller, Florian Fromlowitz, Tobias Sippel, Kevin Trapp – und auch die nachfolgenden Generationen versprechen so viel Potential, dass einige von Ihnen bereits Keeper in den jeweiligen Nationalmannschaften sind. Eine Talentdichte, die nicht auf den Zufall zu reduzieren, sondern wohl mit dem System Ehrmann zu erklären ist. Ehrmann selbst fasst die Grundpfeiler seiner Ausbildung so zusammen: taktische Schulung, Antizipation am Spielgeschehen, Beidfüssigkeit, jedoch auch der Verzicht auf die Verwissenschaftlichung des Geschehens auf dem Platz – Fußball bleibt Fußball.
Fernab von Kaiserslautern scheint sich ein weiterer Hotspot der Torwartkunst zu entwickeln – die Lausitz. Und die von dort stammenden Talente zieht es vor allem zu Energie Cottbus, und damit in die Hände von Ronny Zeiß, seinerseits langjähriger Torwarttrainer im Jugendbereich von Energie und seit 2010 auch für die Profis verantwortlich. Durch seine großen Hände sind schon einige Talente gerutscht, die man heutzutage in entscheidender oder zumindest vielversprechender Position bei den Profivereinen wiederfindet. Tom Mickel beim Hamburger Sportverein, Sebastian Mielitz bei Werder Bremen oder aber Martin Männel bei Erzgebirge Aue – eine beeindruckende Liste. Doch wer es bei Zeiß schaffen möchte, braucht bereits gewisse körperliche sowie psychische Grundattribute, ohne die Zeiß es erst gar nicht beginnt. Charakter und Körpergröße bilden die zwei Grundvoraussetzungen, ohne die eine sportliche Karriere bei Energie unter Ronny Zeiß keinen Sinn ergibt. „Wenn wir feststellen, dass der Torhüter nicht größer als vielleicht 1,85 Meter wird, dann hat er wirklich ganz schlechte Karten“, kleidet Zeiß die harte Realität für viele junge Keeper in Worte. Eine Tradition, die auf den ersten Blick Sinn zu machen erscheint. Andererseits sich aber – zumindest traditionell – auf die mit wissenschaftlichem Nachdruck praktizierte Talenterkennung in der DDR stützt. Und viele vielversprechende Talente durchs Raster fallen lässt. Keeper, die bei Gerry Ehrmann – zumindest trotz mangelnder körperlicher Attribute – gefördert werden würden. Tobias Sippel misst beispielsweise gerade einmal 1,80 Meter. Auch Florian Fromlowitz gehört mit seinen 1,85 Metern nicht zu den Riesen der Torwartzunft.
Dennoch gilt: wer ein guter Keeper werden will, genießt auch in Cottbus unter Ronny Zeiß eine überdurchschnittlich gute Ausbildung. Wer allerdings kleiner als 1,85 Meter ist sollte sich dann doch eher gen Westen orientieren.
M. Ratajczak (foto firo)
Torwartkarussel
Und es geht immer weiter. Wenn man den Keeper – nach ausgiebiger Studie zahlreicher Selbstporträts der Torwartzunft – als hochsensiblen, psychologisch komplexen Ausnahmesportler begreift, ergibt sich einem zwangsläufig die Erkenntnis, dass die meisten Torhüter vor allem eines brauchen, um ihr Leistungspotential optimal nutzen zu können: Ruhe und Stabilität. Umso unverständlicher ist es demnach, die Situation bei Fortuna Düsseldorf zu begreifen, wo Trainer Norbert Meier nichts auslässt, um den um die beiden Keeper der Fortuna kreisenden Zirkus nicht abreißen zu lassen. Nachdem er in dieser Saison seine Keeper – Michael Ratajczak und Michael Melka – schon des Öfteren zu Sündenböcken machte und mehrfach die Rangordnung durcheinanderwirbelte, scheint er jetzt beiden das Vertrauen absprechen zu wollen. So hieß es unlängst von Maier: „Wir werden einen jungen, talentierten Keeper im Sommer holen.“ Und Manager Wolf Werner fühlte sich berufen, die emotionale Wunde seiner beiden Keeper noch zu weiten, indem er hinzufügte: „Wir sind in dieser Saison mit beiden nicht zufrieden. Beide haben noch ein Jahr Vertrag, aber wir werden auf dieser Position etwas tun.“ Dass die torwartliche Misere der Fortuna allerdings hausgemacht ist, bleib natürlich unerwähnt.