Manchmal kann man den ganzen Zirkus Bundesliga einfach nicht verstehen. Da begeht ein Torwart Selbstmord, weil seine Depressionen vom täglichen psychischen Druck unerträglich geworden sind und löst damit eine Welle des Schamgefühls aus. Scham derer, die mit ihren Worten und Taten Fußballprofis so unter Druck setzen, dass es gefährlich für Leib und Seele wird. Einer, der nach dem Tod von Robert Enke im November 2009 davon sprach, man müsse »jetzt endlich etwas ändern« im Umgang mit den Sportlern, hat am Wochenende gezeigt, dass er dazu scheinbar nur in der Lage ist, wenn es sich nicht um seinen eigenen Klub handelt: Uli Hoeneß.
Eben erst hatte Bayerns Torwart Thomas Kraft, ein junger Mann, der zur Winterpause überraschend von Trainer Louis van Gaal auf die Stammposition befördert worden war, mit einem Fehlpass das 1:1 gegen den 1. FC Nürnberg verschuldet, da saß sein Präsident Uli Hoeneß mit hochrotem Kopf auf einer Pressekonferenz und bestätigte die Entlassung des ungeliebten Trainers van Gaal. Das wäre nicht weiter schlimm gewesen, wenn Hoeneß in seiner Aufregung nicht völlig unnötige Worte gewählt hätte, um die Entlassung des zum Saisonende ohnehin entlassenen Trainers zu begründen. »Mit Herausnahme von Jörg Butt«, textete Hoeneß in einem Dauermonolog, den die anwesenden Journalisten später einfach zu einem Interview umschrieben, »fing die ganze Scheiße, auf gut deutsch gesagt, doch erst an.« Dieser Satz kann nur so interpretiert werden: Seit Thomas Kraft im Bayern-Tor steht, fing die ganze Scheiße beim Rekordmeister erst an. Auf gut deutsch gesagt.
Man möchte sich nicht vorstellen, wie sich Thomas Kraft, 22, gefühlt haben mag, als er diesen Satz aus dem Mund seines Präsidenten gehört hat. Sein Fehler gegen Nürnberg, als er mit einem unnötigen Lupfer versuchte, einem Mitspieler den Ball zuzuspielen, und doch nur die Füße von FCN-Stürmer Christian Eigler traf (der den Ball auch prompt ins leere Tor beförderte), wog schon schwer genug auf den Schultern von Kraft. Er lag am Boden, als ihm sein Präsident noch den Schuh durchs Gesicht zog. Ob der aus der eigenen Jugend erwachsene Torwart noch einmal die Chance bekommt, als Bayern-Spieler aufzustehen, ist sehr ungewiss. Denn der neue Trainer, van Gaals ehemaliger Assistent Andries Jonker, hat bereits angekündigt »veränderungswürdige Dinge zu verändern«. »Veränderungswürdig« ist in den Augen seines Bosses, Uli Hoeneß, ganz offensichtlich die Torwart-Frage. Aller Voraussicht nach wird Oldie Jörg Butt, ein enger Freund übrigens von Bayern-Manager Christian Nerlinger, am kommenden Spieltag im Tor stehen. Zur neuen Spielzeit dürfte dann Manuel Neuer zu den Bayern wechseln – wenn Thomas Kraft Pech hat, war die Partie gegen Nürnberg sein letztes Spiel als Stammkraft für den FC Bayern.
Womit wir wieder bei Robert Enke wären. Zwar verbietet sich jeglicher Vergleich zwischen dem am Ende psychisch schwer kranken Enke und einem Torwart-Kollegen, der eine sportliche Talfahrt durchstehen muss, aber zumindest hätte man sich gewünscht, dass ein Mann wie Uli Hoeneß mehr Fingerspitzengefühl anwendet, wenn einer seiner Spieler so sehr am Boden liegt. »Hier sorgt Thomas Kraft für die Entlassung seines Trainers!«, schlagzeilte kurz darauf die Boulevardpresse und präsentierte Krafts Fehlpass noch einmal in voller Länge. Nach Michael Rensing ist nun auch Thomas Kraft in die Mühlsteine der brutalen Münchener Torwartpolitik geraten. Hoffentlich geht er davon nicht kaputt.