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Merle Frohms: Im Schatten großer Torhüterinnen zur Nummer 1

Nach langer Zeit wurde Frohms nun als deutsche Nummer 1 berufen

Autor: T. Rübe - 30.06.2022

Die Europameisterschaft der Frauen in Großbritannien beginnt in wenigen Tagen. Einer der Mitfavoriten wird die deutsche Nationalmannschaft sein. Dabei wird es in einer eher jungen Mannschaft auch auf Merle Frohms ankommen. Diese wurde in den letzten Tagen von Bundestrainerin Martina Voss-Tecklenburg zur Nummer 1 für das kommende Turnier berufen. Wirklich überraschend war diese Entscheidung pro Frohms nicht mehr, wenngleich Almuth Schult auch verständlicherweise bis zuletzt gehofft hatte, dass das Pendel noch zu ihren Gunsten ausschlägt. 
 

Doch die 27-Jährige wurde im Grunde genommen bereits über drei Jahre hinweg als Nummer 1 aufgebaut. Dies liegt natürlich zum einen an einer schweren Verletzung an der Schulter inklusive Operation und einer Wadenverletzung und zum anderen an der Geburt ihrer Zwillinge. Die bisherige Wolfsburgerin, die zur kommenden Saison für den Los Angeles City FC auflaufen wird, verpasste dadurch nahezu komplett zwei Jahre und brauchte auch anschließend eine gewisse Zeit, um wieder auf ihr eigentliches Niveau zu kommen. In der medialen Wahrnehmung wiederum war Schult deutlich präsenter. So war Schult im vergangenen Jahr als Experti für die EM der Männer häufig im TV zu sehen und setzte sich auch mit Nachdruck für eine stärkere Repräsentation der Frauen beim DFB ein. Allein dadurch redet Fußball-Deutschland mehr über die derzeitige Nummer 2, als über die 27-jährige Nummer 1 im deutschen Tor. Allerdings hatte es Schult auch geschafft, den Rücktritt von Nadine Angerer, zu ihrer Zeit eine, wenn nicht die beste Torhüterin der Welt vergessen zu lassen. 2014 war Schult auch zusammen mit der US-Amerikanerin Hope Solo auch Welttorhüterin.
 
Frohms hat es dadurch enorm schwer, aus Schults Schatten zu treten, eben auch, da Schult nunmehr ihre direkte Konkurrentin ist. Ebenso pikant ist aber auch der Umstand, dass Frohms, welche zwei Jahre lang für Eintracht Frankfurt erfolgreich aktiv war und mit der Eintracht in der abgelaufenen Saison sich erstmal für die Champions League qualifizieren konnte, ebenjene Almuth Schult nun beim VfL Wolfsburg beerben wird. Die 1,75 m große Torfrau wird sich also auch in Zukunft den direkten Vergleich mit der 4 Jahre älteren Schult gefallen lassen müssen. In der Tat wird auch hierbei immer wieder die Ausstrahlung beider Hüterin verglichen werden. Schult, mit 1,80 im Frauen-Fußball eine Erscheinung, wirkt in ihrem Spiel präsenter, als Frohms, die zwar äußerst aufmerksam agiert, aber immer wieder der Gesamtbetrachtung, mit der Defensive weniger dominant agiert.
 
Dabei bringt die Torhüter, die bereits zwischen 2011 und 2018 in Wolfsburg spielte, aber für die erste Mannschaft lediglich 12 Spiele bestreiten konnte, sehr viel mit. Ihre Strafraumbeherrschung ist gut bis sehr gut, immer wieder kann sie dadurch auch scharfe und gefährliche Flanken vor der gegnerischen Stürmerin abfangen. Auch die Antizipation ist auf einem ähnlichen Niveau. So schafft es Frohms häufig, lange Bälle zu erlaufen, bevor diese wirklich für Gefahr sorgen könnten. Frohms agiert immer wieder mutig und mit viel Übersicht. Dennoch streut sie in der Spieleröffnung mitunter einige wenige Ungenauigkeiten ein, was ebenso mit einer nicht ganz so präsenten Ausstrahlung die größten Kritikpunkte sind. Die schnellen Abwürfe im Rahmen etwaiger Konter hingegen sehr stark und sorgen immer wieder für schnelle Umschaltmomente der eigenen Mannschaft. Dabei schafft es die Torhüterin immer wieder, den Ball bis an die Mittellinie auf die Außenspieler zu werfen, die dann in hohem Tempo in die gegnerische Hälfte eindringen können. Allein gegen die Schweiz schaffte es Frohms so, mehrere gefährliche Aktionen zu initiieren.
 
Auch auf der Linie und im 1 gegen 1 agierte die gebürtige Niedersächsin durchaus stark und kann der eigenen Mannschaft so immer wieder ein mehr als verlässlicher Rückhalt sein. Die Torhüterin leidet mit der eigenen Reputation durchaus darunter, dass es in Deutschland in den letzten zwei Jahrzehnten Torhüterinnen gab, die zu ihrer Zeit als absolute internationale Instanzen galten. Namentlich sind das Silke Rottenberg, Nadine Angerer und Almuth Schult. Alle drei Torhüterinnen sind sowohl im Verein als auch mit der Nationalmannschaft sehr erfolgreich und hochdekoriert gewesen, Schult als aktive ist es immer noch.
 
All diese Erfolge fehlen der aktuellen deutschen Nummer 1 noch. Doch könnte sich dies nun alsbald durch die Europameisterschaft ändern. Zwar ist die deutsche Mannschaft nicht der Topfavorit, gehört aber zum erweiterten Favoritenkreis und hat gezeigt, dass in der aktuellen Verfassung und mit stark aufgelegten Frohms im Tor durchaus mit ihr zu rechnen ist. Für die alte und neue Wolfsburger Torhüterin könnte dies dann der endgültige Schritt sein, um etwas aus dem Schatten zu treten und sich selbst noch ein wenig von Schult  zu emanzipieren.

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