Bei Schalke brodelt es mal wieder ganz gewaltig. So gewaltig,
dass bei dem ganzen Gezänk über Magath hier, Legionär Farfan da und mangelhafte
Kommunikation überall der sportliche Aspekt wieder einmal auf der Strecke bleibt.
Unverständlich, wo doch gerade das Sportliche beim furiosen 3 - 1 gegen die
spielstarken Spanier aus Valencia endlich einmal wieder Grund zur Freude bereitete.
Hervorzuheben ist dabei nicht nur die wiedergefundene Spielfreude der Schalker
Offensivabteilung, sondern eben wieder einmal der Blick auf die Gelsenkirchener
Lebensversicherung Manuel Neuer. Ein ums andere Mal in den nervenaufreibenden
90 Minuten wurde Neuer gefeiert wie die Rückkehr des Heilands. Längst steht
nicht mehr Felix Magath, sondern Manuel Neuer beim Schalker Anhang als
Symbol für die Hoffnung auf bessere Zeiten. Doch was zeichnet das so überragende
Spiel von Neuer aus?
Nerven wie Drahtseile
Seinen spektakulärsten Auftritt hatte Neuer an diesem Abend wohl in der
59. Minute, als der durchgebrochene Joaquin versuchte, den Ball über Neuer
im Tor zu versenken. Neuer riss gerade noch die Fäuste hoch und schaffte es
so, den Ball aufs Tornetz zu bugsieren. Dies konnte aber nur gelingen, da
Neuer im 1-gege-1 bis zuletzt stehen geblieben war. Im finalen Showdown mit
dem Stürmer verliert, anders als im Wilden Westen, derjenige der als erster
zieht bzw. agiert. Neuer ist hier Meister seines Faches. Bis zuletzt behielt
er im Zweikampf mit Joaquin die Nerven, zwang diesen zur Aktion und gewann.
Herr im Haus
Es sind nicht allein die blitzschnellen Reflexe oder spektakuläre Flugeinlagen,
die Neuer zu einem herausragenden Keeper machen. Es ist die Beherrschung des
Grundhandwerkes. Und dazu gehört für den modernen Keeper eben auch die Strafraumbeherrschung.
Neuer, der, wenn er dieser Saison einmal Unsicherheiten zeigte, dies in der
Beherrschung seines "näheren Umfeldes" tat, hatte an diesem Abend seinen Strafraum
unter Kontrolle. Dem verqueren Torhüter-Mantra "Wenn er rauskommt, muss er
ihn auch haben" folgend, faustete Neuer die Freistöße, Ecken und Flanken serienweise
aus der Gefahrenzone. An diesem Abend besaß er allein die Lufthoheit im eigenen
16ner.
Antizipation
Für diejenigen, die die letzten Jahre in einer Höhle verbracht haben: der
moderne Torwart liest das Spiel, er antizipiert. Er ist der Libero des 21.
Jahrhunderts. Und nur wenige verstehen diese Erweiterung des Aufgaben-Portfolios
so gut wie Neuer. Insbesondere gegen die wieselflinken Spanier, die die Schalker
Abwehr oftmals durch Steilpässe auszuheben versuchten, waren Neuers Fähigkeiten
von entscheidender Bedeutung.
"Na und?" Neuer kann einstecken
Nicht nur, dass er Fehler in Windeseile akzeptiert und diese dann verarbeitet.
Es ist auch der Druck, der anscheinend nicht die geringste Einflusskraft auf
Neuer besitzt. Schon nach 15. Minuten hatte Valencia das allseits befürchtete
Auswärtstor geschossen, Selbstvertrauen getankt, sich in die bessere Ausgangslage
versetzt. Der Druck lag nun auf den Schalkern. Wie eine Rosskur muss es auf
die Schalker Spieler gewirkt haben, dass da einer unten ihnen war, der stets
die Nerven behielt, stets eine bemerkenswerte Ruhe ausstrahlte. Sie mitriss,
sie motivierte, ihnen Rückhalt verschaffte. Mit Erfolg.
Manuel Neuer war an diesem Abend ein Garant für den Erfolg.
Nach Abpfiff versuchte er sich ebenfalls noch als Garant für den Verbleib von
Trainer Magath. Ob er damit allerdings genauso erfolgreich ist wie auf dem Platz,
werden die nächste Tage zeigen.