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Pascal Formann im Interview: „Kamil Grabara hat uns mit seiner Präsenz, seinen Paraden und seiner Mentalität absolut überzeugt“
24.06.2025
Pascal Formann mit seinem Torwart-Rookie der Saison: Kamil Grabara (foto: firo)
Die Bundesliga-Saison 2024/25 ist beendet. Der VfL Wolfsburg landete auf Platz 11 und blieb damit unter den selbst gesteckten Zielen. torwart.de hat aus diesem Anlass mit Pascal Formann (42), dem Torwarttrainer der Wölfe, Bilanz gezogen. Im Interview spricht Formann über das eindrucksvolle Premierenjahr von Kamil Grabara und über Marius Müller, der sich als unverhoffter Glücksfall erwies und eine goldene Nummer zwei abgab. Des Weiteren erläutert Formann seine Analyse-Philosophie, benennt bestehende Baustellen und verrät, wie er Wolfsburgs Torhüter im Jahr 2025 noch besser machen will. Zudem gibt er Einblicke, welche Eigenschaften ihm bei seinen Torhütern besonders wichtig sind.
torwart.de: Die Spielzeit ist vorbei – wie gehst du ganz konkret an die systematische Aufarbeitung der Saison heran? Welche Phasen, Methoden und Beteiligten sind für dich dabei unverzichtbar?
Pascal Formann: Mit jedem einzelnen Torhüter lasse ich die Saison am Ende in einem Feedbackgespräch Revue passieren. Insgesamt hat unsere Torwartgruppe in dieser Saison einen richtig guten Job gemacht. Intensität, Professionalität und Loyalität innerhalb der Gruppe waren hervorragend. Natürlich schaue ich mir auch nochmal die Gegentore an, tausche mich mit 2-3 Torwarttrainerkollegen aus, um auch eine andere Perspektive noch zu bekommen.
Die Analyse der Leistungen unserer Torhüter arbeiten wir kontinuierlich während der Saison auf. Bei der Analyse lege ich Wert darauf zu erkennen, was gut und weniger gut bei den einzelnen Torhütern gelaufen ist. Wo lassen sich bestimmte wiederkehrende Muster wiederholen und wie können wir in welchen Bereichen in der Trainingsarbeit ansetzen? Dieses kontinuierliche Verbesserungsprozess ist ein wichtiger Baustein meiner Trainertätigkeit.
Zum Saisonende hin verlagert sich mein Fokus dann bereits auf die Zukunft: Wir beschäftigten uns mit dem sogenannten Schattenkader, in dem wir die Torhüter führen, die für die Zukunft für uns interessant sein könnten. Wir sprechen darüber, welchen Handlungsbedarf wir auf der Torwartposition haben und welche personellen Veränderungen anstehen. Die Planungen laufen die ganze Saison.
Vereine als Spieler:
Nottingham Forest, Grantham Town, Arminia Bielefeld, 1. FC Saarbrücken, BV Cloppenburg, Hessen Kassel
Lizenz: UEFA A-Lizenz / Torwart-Trainer-Lizenz
torwart.de: Mit Rang 11 habt ihr eure eigenen Erwartungen nicht vollständig erreicht. Zwischendurch wart ihr jedoch in Schlagdistanz zu den internationalen Rängen. Wie erklärst du die Leistungsschwankungen, und welche Schlüsselmomente haben aus deiner Sicht letztlich über Erfolg oder Misserfolg entschieden?
Pascal Formann: Der 11. Platz ist für uns zu wenig und auch enttäuschend – unser Anspruch und auch der von Volkswagen liegt natürlich höher. Der Sprung in die internationalen Plätze ist sehr hart umkämpft und es muss sehr viel zusammenpassen, um diese zu erreichen.
Die finale Bundesligatabelle zeigt nach 34 Spielen, wo du qualitativ stehst. Natürlich streben wir in der Zukunft wieder besser Platzierungen in der Bundesliga an.
Kamil Grabaras Premierensaison und Intuition vs. Daten
torwart.de: Die langjährige Nummer 1, Koen Casteels, verließ vor der Saison den Verein. Mit Kamil Grabara kam ein spannender Neuzugang. Wie beurteilst du sein Premierjahr in der Bundesliga? In welchen Bereichen hat er sich am stärksten entwickelt, wo musste er sich besonders an das Liga-Niveau anpassen, und welches Potenzial siehst du noch?
Pascal Formann: Nachdem Koen Casteels nach fast 9 erfolgreichen Jahren den Verein wechselte, war es klar, dass er große Fußstapfen für Kamil Grabara hinterlassen würde. Vor der Verpflichtung hatten wir Kamil lange intensiv gescoutet und hatten ein sehr gutes Gefühl. Trotzdem war auch ich sehr gespannt, wie sich Kamil in seiner ersten Saison zeigen und entwickeln würde.
Kamil hat uns mit seiner Präsenz, seinen Paraden und seiner Mentalität absolut überzeugt. Natürlich gibt’s immer ein, zwei Situationen, die man besser lösen kann – aber das ist normal auf diesem Niveau. Wichtig ist: Er hat Spiele entschieden, wichtige Bälle gehalten und Verantwortung übernommen. Seine Persönlichkeit ist absolut überzeugend und er hat sich mit den Leistungen in seiner ersten Bundesligasaison bereits viel Respekt in der Liga erarbeitet.
Ich bin überzeugt, dass Kamil im zweiten Jahr noch stärker auftreten wird. Wir werden im Bereich der Spieleröffnung im Verbund zwischen Torwart und Mannschaft noch fußballerische Lösungen suchen. Wir werden in allen Bereichen des Torwartspiels mit Kamil weiter intensiv arbeiten und weitere Prozente herauskitzeln. Auch im Flankenbereich lässt sich immer etwas verbessern. Wir reden hier von Feintuning auf sehr hohem Niveau, um unseren Torhütern ein konstantes hohes Leistungsniveau zu ermöglichen.
Der Wolfsburger Rückhalt der Saison: Kamil Grabara und die Nummer 2 Marius Müller (foto: firo)
torwart.de: Bei der Bewertung der Torwartleistungen: Auf welche Daten oder Metriken legst du besonderen Wert, und welche Rolle spielt dabei weiterhin deine eigene Intuition?
Pascal Formann: Mein schärfstes Analyse-Werkzeug bleibt das geschulte Auge. Erst wenn ich einen Torhüter live im Training und im Wettkampf erlebt habe – inklusive eines persönlichen Austauschs – habe ich ein vollständiges Bild. Dabei stütze ich mich auf meine Eindrücke sowie die Beobachtungen von Torwart-Scout Matthias Hain. Natürlich nutzen wir auch Daten: Passquoten, Expected-Goals-Werte, Zonen-Heatmaps. Sie geben wertvolle Hinweise, zeigen Trends oder bestätigen Vermutungen. Aber Zahlen erklären nicht alles. Entscheidend ist, wie ein Keeper unter Druck reagiert: Trifft er den mutigen Pass in die Schnittstelle oder spielt er nur den sicheren Querball? Verteidigt er den Raum aktiv, strahlt er Ruhe aus, lenkt er seine Vorderleute? Diese Feinheiten erkennt nur ein geschultes Auge im Kontext von Tempo, Gegnerdruck und Spielsituation. Daten sind für mich daher Ergänzung – die finale Entscheidung trifft stets die intuitive Gesamtwahrnehmung.
Die wichtige Rolle der Nummer 2 und Talente im Fokus
torwart.de: Ab dem 20. Spieltag hat Marius Müller den verletzten Grabara in sechs Partien vertreten – scheinbar ohne Anlaufzeit. Wie ordnest du seine Leistungen ein, und wie wichtig war es für die Mannschaft, eine so verlässliche Nummer 2 zu haben? Was hat Müller befähigt, sofort auf Top-Niveau abzuliefern?
Pascal Formann: Marius Müller kam kalt von der Bank und war sofort ein Faktor: sechs Spiele, starke Paraden, jede Woche ein Schritt nach vorn – genau deshalb haben wir ihn verpflichtet. Uns war klar, dass er ein sehr guter Torwart ist und Charakter in die Kabine bringt. In den Spielen hat er die Erwartungen noch übertroffen: Er gibt der Torwartgruppe Energie, dem Team Sicherheit und akzeptiert zugleich seine Rolle. Diese Mischung aus Qualität, Loyalität und Teamgeist ist für einen Klub Gold wert. Wenn etwas passiert, wissen wir: Da steht jemand bereit, auf den man sich blind verlassen kann – ähnlich wie bei Pavao Pervan. Deshalb mein großes Chapeau an Marius: Seine Mentalität, Professionalität und Haltung über die gesamte Saison hinweg waren erstklassig und haben unseren Kader spürbar stabilisiert. Die Mischung in unserer Torwart-Gruppe macht uns aus.
torwart.de: Marius Müller ist 32 Jahre alt und hat gezeigt, dass er Bundesliga-Stammkeeper sein kann. Wie vermittelst du ihm einerseits Entwicklungsperspektiven und hältst andererseits eine klare Torwart-Hierarchie aufrecht?
Pascal Formann: Klar ist: Nach seinen starken Leistungen hat Marius natürlich gespürt: Ich kann Bundesliga – und ich will das regelmäßig zeigen. Und ganz ehrlich: Genau diesen Anspruch soll und muss ein Profi auch haben. Dafür spielt man Fußball.
Aber gleichzeitig war ihm bei seiner Unterschrift bewusst, welche Rolle er bei uns einnimmt. Es gibt bei uns eine klare Hierarchie – und die ist auch kommuniziert. Aber gleichzeitig schätzen wir Marius enorm: Für seine Qualität, für seine Mentalität und für die Art, wie er die Rolle mit Leben füllt. Marius identifiziert sich voll mit seiner Aufgabe.
torwart.de: In dieser Saison mussten ligaweit viele Ersatzkeeper einspringen – häufig mit Erfolg. Worin siehst du die Hauptgründe für diese positive Entwicklung?
Pascal Formann: Wenn ein Ersatzkeeper reinkommt und sofort hält, ist das perfekt – die echte Prüfung beginnt aber erst nach mehreren Wochen Dauereinsatz. Dann sieht man, wer auf diesem Niveau wirklich stabil liefern kann. Aktuell ist die Mischung oft ideal: eine klare Nummer 1 und eine erfahrene Nummer 2, auf die du dich blind verlassen kannst. Du kannst auch eine ältere Nummer 1 haben und eine jüngere Nummer zwei mit Potential, die in der U23 in der dritten oder vierten Liga regelmäßig Spielpraxis bekommt und schon viele Jahre auf Bundesliganiveau trainiert.
Der Schlüssel liegt im täglichen Training: Wer dort sauber arbeitet, kann auch vor 50000 Zuschauern abliefern. Dabei hilft, dass das Torwarttraining in Deutschland insgesamt top aufgestellt ist – individuell, strukturiert, mit viel Austausch. Darum kannst du heute sogar eine Nummer 3 ins Tor stellen, ohne Bauchschmerzen zu bekommen.
Wichtiger Bestandteil für das Training und die Stimmung: Pavao Pervan (foto: firo)
Strategische Kaderentwicklung und Torwartniveau in der Bundesliga
torwart.de: Niklas Klinger verlässt den Klub, mit dem 37-jährigen Pavao Pervan wurde verlängert. Welche Überlegungen standen hinter diesen Personalentscheidungen, und planst du, weitere junge Torhüter in das Profi-Training zu integrieren?
Pascal Formann: Im Torwartteam stehen turnusgemäß Veränderungen an. Niklas Klinger verlässt uns – er hat als Nummer 4 einen Top-Job gemacht, dafür gebührt ihm voller Respekt. Perspektivisch wollen wir diese Position jedoch verjüngen und zugleich eine klare Brücke zwischen Akademie und Profis schlagen.
In jedem Fall sollen unsere Nachwuchstorhüter künftig noch früher unter Bundesliga-Bedingungen trainieren – höheres Tempo, schärfere Abschlüsse, größerer Druck. Genau dort wachsen sie am schnellsten.
Mit den Routiniers Pavao Pervan und Marius Müller haben wir Stabilität, sodass jetzt der perfekte Zeitpunkt ist, die nächste Generation aufzubauen. Das ist strategische Kaderentwicklung: Erfahrung halten, Talente nachschieben – und daran arbeiten wir mit voller Überzeugung.
torwart.de: Welche Torhüter – national oder international – haben dich in dieser Saison besonders beeindruckt oder überrascht?
Pascal Formann: International hat mich vor allem Gianluigi Donnarumma begeistert: Präsenz, Ausstrahlung und mehrere “Unhaltbare” – er war für PSG ein echter Playoff-Faktor und einer der Garanten für den Gewinn der Champions League. Alisson Becker ist ebenfalls wieder auf Weltklasse-Niveau.
In der Bundesliga war Gregor Kobel für Dortmund ein Stabilitätsanker. Großes Lob auch an Finn Dahmen und Robin Zentner. Noah Atubolu hat sich im zweiten Jahr in Freiburg spürbar gefestigt, Kevin Trapp bleibt eine Größe, wenngleich Santos ohne seine schwere Verletzung noch mehr Druck auf ihn hätte ausüben können. Gulacsi mag ich besonders, weil er einfach über Jahre hinweg seine Leistung abruft.
Über eigene Spieler sprechen Trainer ungern, aber: Kamil Grabara hat in seinem ersten Bundesligajahr einen starken Eindruck hinterlassen. Blickt man in die 2. Liga, sieht man viele deutsche Talente, die schon in jungen Jahren Verantwortung tragen. Fördern wir diese Jungs gezielt, ist der deutsche Torwartstandort auch langfristig hervorragend aufgestellt.
torwart.de: Wie bewertest du insgesamt das Torwartniveau in der Bundesliga 2024/25? Zeichnen sich bestimmte technische oder taktische Trends ab?
Pascal Formann: Ich habe das Gefühl, dass der Trend aktuell wieder stärker in Richtung Torverteidigung geht – also zu Torhütern, die wirklich Bälle halten. Die fußballerischen Fähigkeiten in Bezug auf Technik und Taktik sind inzwischen bei fast allen Torhütern auf einem sehr guten Niveau angekommen. Aber in dieser Saison haben vor allem diejenigen überzeugt, die mit spektakulären Paraden Spiele entschieden und Punkte gesichert haben.
Torhüter, die außergewöhnlich Chipbälle spielen oder mit einem Superpass glänzen können, gibt es natürlich auch – aber das hat sich aus meiner Sicht etwas relativiert. Entscheidend war häufiger: Wer hält in den entscheidenden Momenten wirklich den Ball? Da hat man bei vielen Teams gesehen, dass die „Saves“ wieder mehr in den Fokus rücken – und genau das finde ich auch richtig.
Wenn man sich internationale Beispiele wie Donnarumma anschaut, der in mehreren Spielen absolut unhaltbare Bälle rausgefischt hat, oder Yann Sommer, der bei Inter Mailand eine konstante Saison gespielt hat – dann sieht man: Der Torwart als Punktegarant rückt wieder stärker ins Zentrum.
Für mich ist das eine gesunde Entwicklung. Der moderne Keeper muss beides können – mitspielen und verteidigen. Aber am Ende bleibt sein Kernauftrag, Tore zu verhindern. Und ich glaube, genau das hat sich in der Bundesliga 2024/25 wieder mehr herauskristallisiert.
Infos zu Kamil Grabara
Nationalität: Polen
Geburtstag: 08.01.1999 (26)
Geburtsort: Ruda Śląska, Polen
Vereinshistorie:
Ruch Chorzow (2014-2016), Liverpool U18/U23 (2016-2021), Aarhus GF (2019 & 2020/21), Huddersfield Town (2019-2020), FC Kopenhagen (2021-2024), VfL Wolfsburg (2024-)
Bundesligaspiele: 29 / 6 Spiele zu Null
Marktwert: 14.000.000€
Trainingsphilosophie: "Die Kunst ist, die richtige Balance zu finden"
torwart.de: Hast du deine Trainingsinhalte in dieser Saison angepasst – etwa wegen des veränderten Torwartpools? Wenn ja, welche neuen Elemente oder Schwerpunkte hast du gesetzt?
Pascal Formann: Grundsätzlich bin ich jemand, der seiner Philosophie treu bleibt – gerade, wenn sie sich über Jahre bewährt hat und zu Erfolgen geführt hat. Gleichzeitig ist es mir aber auch wichtig, die Inhalte kontinuierlich zu hinterfragen und punktuell weiterzuentwickeln.
In dieser Saison habe ich beispielsweise bewusst verstärkt in der Box gearbeitet – insbesondere bei Szenarien aus kurzer Distanz, in denen Bälle abgefälscht werden oder unübersichtliche Situationen entstehen. Da geht’s um Reaktionsschnelligkeit, Entscheidungsverhalten und um das aggressive Verteidigen in der Zielzone. Ich überlege gerade auch, wie man Ablenkungen noch variabler einbauen kann – über neues Equipment oder dynamischere Reize, um die Komplexität im Training weiter zu erhöhen.
Die Kunst besteht für mich darin, die richtige Balance zwischen bewährten Methoden und neuen Impulsen zu finden. Ich schaue gerne national und international über den Tellerrand hinaus und sehe immer wieder neue Ideen und Ansätze. Aber ich springe nicht auf jeden Trend auf, nur weil er neu ist. Die Trainingswoche ist oft eng getaktet, da musst du dich auf das Wesentliche konzentrieren, statt dich zu verzetteln.
Für mich gilt: Was gut funktioniert, muss nicht um jeden Preis verändert werden. Aber ich stelle mir regelmäßig die Frage: Wie kann ich einzelne Elemente noch besser machen? Das ist der Anspruch – und ich glaube, damit sind wir auf einem sehr guten Weg.
Die Vorbereitung auf die neue Saison ist bei Wolfsburg und Formann schon lange angelaufen (foto: firo)
torwart.de: Wie gestaltest du die kommenden Wochen persönlich und fachlich? Ab wann beginnt für dich die konzeptionelle Vorbereitung auf 2025/26?
Pascal Formann: Auch für mich heißt Sommerpause erst einmal: raus aus dem täglichen Trott und den Kopf freibekommen. Ich werde bei zwei Torwartworkshops in Portugal und auf Kreta mein Wissen weitergeben. Dies kann ich dann bewusst mit echtem Urlaub kombinieren – Sonne, gutes Essen, Fachsimpeln.
Ganz ohne Fußball geht es aber nicht: Ich bleibe im Austausch mit Scouts, Beratern und unserer sportlichen Leitung, verfolge Bundesliga-News und internationale Turniere wie die Nations League, die U21- und U19-EM. Ganz ohne Fußball geht es in dieser Phase nicht, trotzdem habe ich genügend Gelegenheit, Energie zu tanken.
Die konzeptionelle Arbeit für die Saison 2025/26 startet bei mir nicht erst fünf Wochen vor Trainingsbeginn. Auf Basis meiner Prinzipien und der Bedarfe der Jungs entwickle ich die Trainingsplanungen für die erste Phase der Saison schon frühzeitig. Wichtig für mich ist auch, dass ich mich schon frühzeitig mit unserem neuen Cheftrainer Paul Simonis austauschen kann, um unsere Vorstellungen und Ideen zum Torwartspiel abzugleichen.
torwart.de: Unter Ralf Hasenhüttl warst Du für das Training und die Umsetzung von Standardsituationen verantwortlich. Inwiefern hat dich diese Aufgabe als Torwarttrainer bereichert, und wäre es dir wichtig, auch unter dem neuen Cheftrainer wieder Verantwortung für Standards zu übernehmen?
Pascal Formann: Ehrlich gesagt war ich anfangs etwas skeptisch, als es um das Thema Standards ging. Ich wusste: Das ist eine echte Mammutaufgabe – inhaltlich wie organisatorisch. Aber ich habe schnell gemerkt, wie viel Freude und Spannung in diesem Bereich steckt. Es war für mich persönlich und fachlich eine echte Bereicherung.
Wir hatten eine kleine Schwächephase bei den Defensivstandards – das war ein Abschnitt, in dem wir zu viele Gegentore nach ruhenden Bällen kassiert haben – damit war ich nicht zufrieden. Aber insgesamt muss man sagen: Offensiv gehörten wir zu den besten Teams der Liga bei Standardsituationen und das verstärkte Training der Abläufe bei Standardsituationen hat sich sehr bewährt.
Ich denke, wir haben sehr viele gute Ansätze entwickelt und ich konnte meine eigene Kompetenzen in diesem Bereich erweitern und würde diese Aufgabe auch gerne fortführen. Wir werden sehen, welche Vorstellungen unser neuer Cheftrainer in diesem Bereich haben wird. Auf jeden Fall ist die Verbindung der Aufgaben des Torwarttrainers mit dem Training der Standardsituationen sehr sinnvoll und ist eine Bereicherung.
Für Formann und sein Torwart-Team gilt es nun erstmal abzuschalten, bevor es wieder in die intensive Vorbereitung geht (foto: firo)
Schutz der Torhüter: "Ein Stück weit gehört das zum Berufsrisiko eines Torwarts dazu"
torwart.de: Ron-Robert Zieler hat zuletzt moniert, dass Keeper heute nicht mehr ausreichend geschützt werden. Teilst du seine Sicht – und siehst du konkreten Anpassungs- oder Handlungsbedarf im Regelwerk oder in dessen Auslegung durch die Schiedsrichter?
Pascal Formann: Lustigerweise hatten wir erst kürzlich einen Workshop in unserer Mikrogruppe Nord – mit Torwarttrainern aus dem Profibereich und auch Vertretern des DFB. Da war der Schutz der Torhüter tatsächlich ein zentrales Thema – gerade bei offenen 50:50-Situationen, wie etwa bei der Aktion von Baumann gegen Dortmund.
Trotzdem sehe ich das Thema etwas differenzierter. Natürlich gibt es Situationen, in denen der Torhüter klar vor dem Stürmer am Ball ist – da muss es dann auch klare Entscheidungen der Schiedsrichter geben. Aber wenn der Ball frei ist, beide Spieler mit voller Intensität reingehen und es um viel geht – um Punkte oder sogar um Titel – dann ist es schwer, einem Stürmer abzuverlangen, bewusst zurückzuziehen.
Ein Stück weit gehört das für mich zum Berufsrisiko eines Torwarts dazu. Und speziell bei Standardsituationen bin ich der Meinung: Torhüter müssen heute mehr denn je lernen, sich durchzusetzen. Die Zeiten, in denen es für jede leichte Berührung einen Freistoß gab, sind vorbei – und das ist auch okay so.
Klar: Wenn ein Angreifer gezielt mit den Händen arbeitet, schiebt oder blockt, ist das ein Foul – da muss man durchgreifen. Aber bei normalem körperlichem Kontakt oder beim "Im Weg stehen“ sehe ich keinen akuten Handlungsbedarf im Regelwerk. Vielmehr liegt es an uns Torwarttrainern, solche Szenen bewusst im Training zu simulieren, mit Reizsituationen zu arbeiten, bei denen es auch mal ungemütlich wird.
Ich sehe das daher etwas anders als Ron-Robert Zieler. Gerade er kennt die Verhältnisse aus England – da ist der Maßstab physischer, da wird weniger abgepfiffen. Und genau darauf müssen wir unsere Keeper vorbereiten: Körperlich, mental und taktisch. Der Torhüter hat heute keinen Freifahrtschein mehr – aber er hat alle Möglichkeiten, sich auch unter Druck durchzusetzen.
torwart.de: Wie wichtig ist es dir, in der Sommerpause bewusst Abstand vom täglichen Fußballgeschäft zu gewinnen – und wie gelingt dir das am besten?
Pascal Formann: Mein bester Ausgleich ist Zeit mit meiner Familie – vor allem draußen, wenn ich mit meiner Partnerin und ihrem Pferd unterwegs bin oder mit meinem Sohn Zeit verbringe, um Fußball oder Dart zu spielen. In der Natur fällt der ständige Profifußball-Takt einfach von mir ab. In der Sommerpause möchte ich bewusst „in den Tag hineinleben“: ausschlafen, gut essen, etwas Sport ohne Leistungsdruck betreiben, ein Buch lesen, das Handy öfter liegen lassen. Natürlich wird auch mal ein Ball gekickt, aber ohne Videoanalyse oder Trainingsplanung im Hinterkopf. Diese kleinen Pausen sind wichtig, um für die kommende, intensive Saison Kraft zu sammeln – wir wollen schließlich einen Schritt nach vorn machen. Komplett abschalten? Das würde meiner Leidenschaft widersprechen; Fußball bleibt immer in meinem Kopf. Doch mit frischer Luft, ruhigen Momenten und guten Gesprächen tanke ich genug Energie, um danach wieder voll einzusteigen.
torwart.de: Wir bedanken uns für das sehr spannende Interview und wünschen eine gute Saisonvorbereitung und Saisonstart
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