Dennis Rudel ist seit einer Saison Torwarttrainer der U23 des einstigen Deutschen Meisters VfL Wolfsburg. Rudel wechselte von den Stuttgarter Kickers
(Regionalliga) zu den Wölfen. torwart.de unterhielt sich mit dem aufstrebenden jungen Torwarttrainer über seine Trainingsarbeit, über die Zusammenarbeit mit den Profis des VfL Wolfsburges und über seine weiteren Pläne.
torwart.de: Warum bist Du von den Stuttgarter Kickers zur U23 in Wolfsburg gewechselt?
Dennis Rudel: Nach meinen ersten 2 Jahren als Torwarttrainer bei den Stuttgarter Kickers, in denen ich sehr erfolgreich mit David Yelldell und Manuel Salz gearbeitet habe, bekam ich die Chance und das Angebot beim VfL Wolfsburg einzusteigen.
torwart.de: Was war für Dich die Herausforderung als du den Wechsel gemacht hast?
Dennis Rudel: Ganz klar war es eine große Herausforderung beim damals amtierenden Deutschen Meister zu arbeiten, schon bei meiner Ankunft merkte man, dass der ganze Verein vor Selbstvertrauen strotzte. Das ganze Wolfsburger Umfeld war sehr stolz auf die erreichten Erfolge und die Vorfreude auf die Champions League war zu spüren. Meine neue Aufgabe mit talentierten Torhütern der U23 sowie die Torhütern aus dem Nachwuchsleistungszentrum zu arbeiten und sie an den Profibereich heranzuführen, war für mich persönlich die neue Herausforderung.
torwart.de: Wie ist die Arbeit zwischen Dir und dem Torwarttrainer der Profis Andi Hilfiker gekennzeichnet?
Dennis Rudel: Zuerst einmal kam der erste Kontakt mit Wolfsburg über Andreas zustande. Wir lernten uns Ende März 2009 bei einem TW-Trainerworkshop kennen.
Wir arbeiten sehr eng zusammen, besprechen und koordinieren eigentlich alle VfL-Torhüter von den Profis bis zur U15. Das sieht im Wesentlichen so aus, dass ich teilweise in den Trainingseinheiten der Profis eingebunden bin. Zudem besprechen wir wöchentlich den aktuellen Trainingszustand der Torhüter und beurteilen die Leistungen der Torhüter bei den vergangenen Spielen des Wochenendes. Es ist ein sehr vertrauensvolles Arbeiten mit Andreas.
torwart.de: In welchen Bereichen hast du mit Marwin Hitz in diesem Jahr besonders gearbeitet?
Dennis Rudel: Vor der Saison startete Marwin Hitz als Nummer 3 der Profimannschaft, so dass er gezielt eine Saison in der U23 Spielpraxis sammeln konnte. Er trainierte mit mir 1-2 Trainingseinheiten vor dem Spieltag. In Absprache mit Andreas Hilfiker ging es bei ihm ganz klar darum, die Präsenz und Strafraumbeherrschung zu haben, um in der U23 eine große Stütze zu sein. So ging es dann natürlich in den wenigen Einheiten vor dem Spiel um viel Flankentraining und gezieltes Dirigieren der Abwehrspieler bereits im Training.
torwart.de: Wie schwierig war es für Marwin nach den Einsätzen bei den Profis wieder zurück zu kommen zu den Amateuren? Hast Du Dich speziell um Dich gekümmert?
Dennis Rudel: Für Ihn persönlich war es natürlich keine einfache Situation, da er seine Sache sehr gut gemacht hat und wir mit ihm sehr zufrieden waren. Er hatte darüber hinaus mit der Mannschaft eine makellose Bilanz vorzuweisen. Die Profis hatten gerade einen richtigen Lauf bekommen durch das Weiterkommen in der Europa League gegen Villareal und blieben mit ihm in 9 Punktspielen ungeschlagen. Unvergessen das vielleicht beste Spiel dieser Saison im Rückspiel gegen Rubin Kasan als Marwin in der Verlängerung einen sehr entscheidenden Ball gehalten hatte.
Als Diego Benaglio dann wieder fit war, beschloss der Trainerstab, dass es für Marwins Entwicklung wichtiger sei, sofort direkt weiterhin Spielpraxis zu sammeln und der U23 in einer wichtigen Saisonphase Anfang April, um den Aufstieg in die 3.Liga zu helfen.
Ich habe dann mit ihm auch viele Einzelgespräche geführt, um ihn auf diese Spiele wieder vorzubereiten, denn es ist natürlich vom Kopf her nicht so einfach in Gladbach vor 40.000 zu spielen und wieder in Oberneuland vor 150 Zuschauern. Die richtige Einstellung und Motivation zu finden, ist schwierig, aber Marwin hat das sehr professionell aufgenommen. Er konnte daraufhin sofort bei den Spielen der U23 an seine Leistungen von den Profis anknüpfen.
torwart.de: Wie baut sich eine typische Trainingseinheit von Dir auf?
Dennis Rudel: Je nach Saisonphase gestalten sich die Trainingseinheiten unterschiedlich. In der Saisonvorbereitung ist das Training in athletischer Hinsicht intensiver als während der Saison. In der laufenden Saison werden vermehrt spielnahe Situationen in das Training integriert.
Eine Trainingseinheit in der Phase der bereits laufenden Saison weist eine klare Gliederung auf:
1. Aufwärmen (Einlaufen, Stretching mit Beweglichkeitstraining und viel Rotation - kein statisches Dehnen !!!)
2. Ballgewöhnung (Übungen mit Ball am Boden, meist sitzend oder aus dem Kniestand um Bodenkontakt zu bekommen - Schwerpunkt Beweglichkeit !!!)
3. Fangsicherheit (scharf geschossene Volleys aus verschiedenen Positionen - oft in Verbindung mit Beinarbeit und Koordination)
4. Flache Bälle + Aufsetzer (immer in Verbindung als Doppelaktion mit Hürden, Hüttchen etc.)
5. Hauptteil (abhängig vom Trainingsinhalt z.B. Kraft, Sprünge, hohe Bälle, Reaktion, 1 gegen 1)
6. Individuell (heißt trainieren immer zu Dritt, wenn 2 Torhüter nun ins Mannschafttraining integriert werden, trainiere ich mit einem einzelnen separat weiter. Dadurch kann gezielt an den individuellen Defiziten gefeilt werden und es ist genügend Zeit, individuelle Aspekte praxisnah zu besprechen.
torwart.de: Welche Spielweise des Torwarts / Torwartphilosophie favorisiert Ihr in Wolfsburg?
Dennis Rudel: Unser Leitbild ist der moderne mitspielende Torhüter. Diego Benaglio ist das Paradebeispiel für diesen Torwarttyp. Wir legen sehr viel Wert auf einen Torwart mit sehr guten fußballerischen Fähigkeiten. Das bedeutet konkret, dass er mit rechts und links annährend gleich gut die Bälle schlagen können muss. Dazu erwarten wir ein hervorragendes Antizipationsverhalten, um bestimmte Spielsituationen zu erahnen, mutige und eine offensive Spielweise in der Strafraumbeherrschung. Weiter entscheidend ist für uns das richtige Positionsspiel des Torhüters in Distanz zum Schützen zum optimalen Zeitpunkt. Alle Torhüter werden nach diesem Muster bereits ab der U15 ausgebildet.
torwart.de: Wie oft arbeitest Du mit den Torhütern? Was sind die Schwerpunkte?
Dennis Rudel: Ich bin hauptamtlich bei der U23 angestellt. Wir trainieren 6-7 Einheiten pro Woche. In jeder Trainingseinheit arbeite ich mit den 3 Torhütern der U23 zwischen 30-45 Minuten.
Außerdem trainiere ich die U19 Torhüter 2-3 Einheiten in der Woche im Anschluss an die Nachmittagseinheiten der U23.
Die Schwerpunke des Trainings liegen in der Vermittlung unseres Torwartleitbilds (s. vorige Frage).
torwart.de: Inwieweit bist du in die Verpflichtung neuer Talente oder in das Scouting beim Wolfsburg eingebunden?
Dennis Rudel: Das machen Andreas Hilficker und ich in Abstimmung mit unserer Scoutingabteilung. Wir schauen uns regelmäßig Talente oder Empfehlungen an. Gerade in letzter Zeit haben wir einige Kilometer hinter uns gebracht, um immer auf dem aktuellsten Stand zu sein. Es ist selbstverständlich für uns dieser Aufgabe anzunehmen um dann auch weitere Schritte wie gegebenenfalls ein Probetraining oder weitere Sichtungen eines Torhüters vorzunehmen.
torwart.de: In welchen Bereichen hast Du Dich in dieser Saison durch die Arbeit bei Wolfsburg weiterentwickelt? Wo hast Du was dazu gelernt?
Dennis Rudel: Wolfsburg bietet mir als Trainer ein sehr professionelles Umfeld.
Daher wird meine Arbeit noch akribischer und durchdachter. Es wird nichts dem Zufall überlassen, und wenn man in den Trainingseinheiten der Profis dabei ist, lernt man von Diego Benaglio oder von erfahrenen Torhütern, wie André Lenz, natürlich dazu. Auch durch die vielen Gespräche mit Andreas Hilfiker lernt man natürlich dazu was die Einschätzung und Entwicklungsmöglichkeiten jedes einzelnen Torhüters angeht.
torwart.de: Wirst Du auch in diesem Jahr wieder eine Demotrainingseinheit beim torwart.de-Camp in Stuttgart machen können?
Dennis Rudel: Das war die vergangenen beiden Jahre jeweils eine tolle Geschichte. Wenn es die Zeit zulässt bin ich selbstverständlich gerne dabei.
torwart.de: Welches Mitspracherecht hast Du bei den Entscheidungen, die die Torhüter betreffen?
Dennis Rudel: Die Cheftrainer vertrauen auf die Fachkompetenz von Andreas Hilficker und mir. Bei Neuverpflichtungen eines Torhüters stimmen wir uns eng mit den jeweiligen Cheftrainern und Managern der jeweiligen Abteilungen ab. Bisher war es eine sehr gute Zusammenarbeit, in welcher die Arbeit der Torwarttrainer stark geschätzt wurde.
torwart.de: Inwiefern setzt Ihr in Wolfsburg technische Hilfsmittel, wie Videoanalyse etc. ein?
Dennis Rudel: Alle Spiele der Profis und auch der U23 werden per Video aufgenommen und ausgewertet. Das erleichtert mir natürlich die Arbeit enorm.
In einer ersten Analyse schaue ich mir die im Spiel mitnotierten Aktionen des Torhüters nochmals genau an und kann so natürlich alles besser bewerten und einen anderen Blickwinkel bekommen.
Anschließend zeige ich die entsprechenden Situationen dem jeweiligen Torhüter, so dass gute und schlechte Aktionen gemeinsam analysiert werden. Wir achten dabei nicht nur auf die Aktionen, in denen der Torhüter z.B. einen Schuss abwehren musste, sondern auch auf die eher „harmlosen“ Situationen, in den man aber z.B. ein besseres Stellungsspiel ausmachen könnte. Wir sagen immer so schön: „Die Bilder lügen nicht ...!“ (Lacht)
torwart.de: Wie sieht Deine mittelfristige Karriereplanung aus?
Dennis Rudel: Ich habe hier in Wolfsburg noch einen Vertrag bis 2011 und fühle mich hier sehr wohl. Es ist ein fantastisches Arbeiten mit tollen Bedingungen. Ein kollegiales Arbeiten mit allen zuständigen Trainerkollegen, was für mich persönlich sehr wichtig ist.
Aber ich bin natürlich noch ein sehr junger Torwarttrainer und möchte mich weiterhin stets weiterentwickeln. Das ist ligaunabhängig, die Arbeit muss Spaß machen und das Aufgabengebiet muss passen.
torwart.de: Mit Yelldell, Salz und Hitz hast du mehrere Torhüter nach oben geführt. Was waren die entscheidenden Faktoren, dass sich z.B. diese drei Leute so toll entwickelt haben?
Dennis Rudel: Ich will da Patrick Platins auch nicht vergessen, mit dem ich auch ein halbes Jahr gearbeitet habe und meinem Kollegen Thomas Schlieck von Arminia Bielefeld vorgeschlagen habe.
Alle vier Torhüter verfügen über großes Talent. Unabhängig davon ist aber entscheidend, dass die Jungs hoch motiviert sind und über eine sehr professionelle Einstellung verfügen. Sie haben eine klare Zielsetzung und sind jedoch auch kritikfähig und bereit, dazu lernen zu wollen.
Wie groß mein Anteil an deren Erfolgen daran war, will ich selber gar nicht beurteilen. Das müsste torwart.de die Jungs selber fragen. Ich kann aber sagen, dass es ein sensationelles Arbeiten mit allen war. Der persönliche Kontakt ist nach wie vor sehr eng. Sie werden vermutlich nicht mehr wissen, wie wir zusammen gearbeitet haben, aber sie vergessen eben nicht wie Sie sich in der Zeit gefühlt haben!
torwart.de: Wo und unter welchem Blickwinkel wirst Du die WM betrachten?
Dennis Rudel: In der Zeit während der WM mache ich auch erstmal im Süden Urlaub, wobei ich natürlich die Spiele verfolgen werde. Ganz klar liegt da meine Beobachtung auf den Torhütern. Es ist mit Sicherheit interessant, die diversen Spielweisen anderer Nationaltorhüter genauer zu verfolgen. Ich denke da sofort an die Südamerikaner mit Ihrer schnellen Spieleröfnung.
Ansonsten drücke ich natürlich der deutschen Nationalmannschaft die Daumen und hoffe auf ein erfolgreiches Abschneiden!
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