Patrick Foletti: "Wir haben definitiv ein Luxus-Problem in der Schweiz!"
von TSchlitzke
Die Schweizer Torhüter sind der Exportschlager schlechthin momentan! torwart.de hat sich auf die Spurensuche des Erfolges gemacht und einer der mitvertantwortlich ist, ist Patrick Foletti, der Torwarttrainer der Schweizer Nationalmannschaft. Er stand in seiner aktiven Zeit unter anderem beim Grasshopper-Club Zürich und in der Premier League zwischen den Pfosten.
torwart.de: Aktuell sind Schweizer Keeper in aller Munde. Worin resultieren die Hauptgründe für den Erfolg?
Patrick Foletti: Im erster Linie kann man sagen durch Mutter Natur. Ohne Talent kommst du einfach nicht weit im Profigeschäft. Da kannst du die beste Infrastruktur, das beste Konzept, den besten Trainer haben. Aber das alles bringt nicht wirklich viel, wenn du keine Talente im eigenen Land hast.
Auf der anderen Seite aber arbeiten wir in der Schweiz seit 9 Jahren nach dem gleichen Konzept. Alle Torwarttrainer, egal ob aus dem Tessin, aus dem Romandie oder aus der Deutschweiz arbeiten eben nach den gleichen Prinzipien und Richtlinien. So haben wir einen roten Faden vom Club bis zur Nationalmannschaft. Dazu kommt, dass wir mit unserem 3-Eck-System (Betreuung der Vereine in Jugendarbeit– Ausbildung – Nationalmannschaft) auf drei verschiedenen Ebenen immer wieder die gleiche Message vermitteln können. Und das zahlt sich aus.
torwart.de: Man konnte noch deutlich die Unterschiede zur Generation um P. Zuberbühler sehen, als Schweizer Keeper sehr robust waren. Woher kam auf einmal diese "neue Athletik"?
Foletti: Man muss schon aufpassen: Man kann nicht Zubi mit Sommer, Bürki usw. vergleichen! Zu viel (im Guten) hat sich verändert im Bereich des Torwarttrainings. Zweitens arbeiten wir auch im Bereich der Athletik sehr detailliert und spezifisch und zwar direkt mit den Torwarttrainern. Wir haben zum Beispiel in unserem Torhütertrainerlehrgang Niveau 3 (N3) (der höchste in der Schweiz) extra ein dreitägiges Modul "Kondition" eingebaut und das Feedback von den Trainern ist hervorragend und die Resultate lassen sich sehen!
torwart.de: Mit Yvon Mvogo kommt ein neuer Typus in die Bundesliga zu RB Leipzig. Wie kannst du ihn einschätzen?
Foletti: Ich kenne Yvon seit der U-17 - daher kann ich ihn eigentlich ganz gut einschätzen. Yvon wird für RB Leipzig und allgemein für die Bundesliga ein Gewinn sein! Ein Mix aus schweizerischer Zuverlässigkeit und afrikanischer Lockerheit - ich bin mich sicher, dass er seinen Weg machen wird.
torwart.de: Mit Yann Sommer (Gladbach), Roman Bürki (BVB), Marwin Hitz (Augsburg), Gregor Kobel (Hoffenheim), Andreas Hirzel (HSV), Fabio Coltorti, Philipp Köhn und Yvon Mvogo (alle Leipzig) acht Torhüter in der 1. Bundesliga. Wieso schätzen gerade Bundesligavereine die Schweizer Torhüter?
Foletti: Auf der einen Seite es ist seit dem Bosmann-Urteil einfacher für einen Schweizer im Ausland zu spielen. Anderseits denke ich, dass die Kulturen (in erste Linie die Sprache) sehr ähnlich sind, also ist es einfacher sich zu integrieren. Dazu kommt, dass wir ganz gute Torhüter haben, die noch nicht zu teuer sind haben. Dieser Mix ist sicher für die Vereine aus Deutschland sehr interessant.
Infos zu Patrick Foletti:
Nationalität: Schweiz
Geburtstag: 27 Mai 1974
Geburtsort: Mendrisio, Switzerland
Land: Schweiz
Position: Torwarttrainer und Torwartkoordinator Schweizerischer
Fußballverband(SFV)
Größe (cm): 187
Bisherige Vereine als Torwarttrainer: FC Luzern, Grasshoppers
torwart.de: Wie bewertest du aktuell den Dreikampf zwischen Bürki, Sommer und Hitz im Tor? Wie moderierst du diesen?
Foletti: Die Rollen sind ganz klar definiert: Nur so kann ein Team funktionieren. Und man muss immer wieder das Gespräch mit den Jungs führen, wenn es nötig ist. Für sie da zu sein, zuzuhören und am Schluss es ist leider so, dass nur einer im Tor stehen kann. Im Moment es ist brutal, da wir so viel Qualität haben wie nie zuvor. Wir haben definitiv ein Luxus-Problem in der Schweiz!
torwart.de: Auf welche Aspekte legst du Wert bei der Nationalmannschaft und wo liegen die Unterschiede mit deiner Arbeit zur U21?
Foletti: Die Trainings des A-Teams und diese von der U-21 (die von Massimo Colomba, der auch Torhütertrainer beim FC Basel ist) geleitet werden, sind ziemlich gleich, d.h die Prinzipien sind die gleichen. Die Rolle der Torhütertrainer in einer Nationalmannschaft ist total anders als diese von einem Club-Torwarttrainer. Ich versuche in erster Linie meine Keeper im mentalen und körperlichen Bereich auf Top-Niveau für den Wettkampf XY vorzubereiten. Im taktischen Bereich kann ich ein bisschen Einfluss nehmen, dagegen habe ich keine Zeit, um die technischen Finessen zu korrigieren.
torwart.de: Ein Goalietrainer braucht für die Super League und ab der neuen Saison auch für die Challenge League und U21-Spitzenfussball die Lizenz Niveau 3. Du hast diese Entwicklung mitvoran getrieben. Welche Schwierigkeiten gab es dabei und was versprichst du dir davon?
Foletti: Am Anfang war es schwierig diesen Prozess voranzutreiben. Ich hatte einige Widerstände auf mehreren Ebenen zu überwinden. Mittlerweile ist es aber kein Problem. Alle, sprich die Liga und die Vereine, haben verstanden, dass man für diese Position nur qualifizierte und ausgebildete Trainer haben kann. Wir haben eine große Verantwortung gegenüber den Jungs: Sie wollen alle Profi werden oder sind schon Profis; sie sind die Besten in ihrer Alterskategorie. Das gleiche will ich von den Torwarttrainern behaupten. Die Besten sollen die Besten trainieren! Es reicht nicht, dass ich irgendeinmal selber im Tor stand - es braucht Studium, Applikation, Wille zum Lernen und Leidenschaft!
torwart.de: Wie schaut das Scouting-System innerhalb der Schweiz aus?
Foletti: Es ist sehr fein und strukturiert. Wir haben zwei Vorteile: Wir arbeiten eng mit den Vereinen und den Regionalverbänden zusammen und das Land ist nicht wirklich groß. D.h. wir kennen die potentiellen Talente bereits ab der U-13 und können sie jedes Wochenende ständig in ihrer Entwicklung beobachten.
torwart.de: Welche Schwierigkeiten hattest du noch während deiner eigenen Karriere? Wieso hast du selbst den Sprung ins Ausland nicht geschafft?
Foletti: Ich wollte nie Profi werden. Fußball war (und ist immer noch) meine große Leidenschaft, aber in erster Linie wollte ich mein Studium als Sport- und Turnlehrer an der ETH Zürich absolvieren. Das habe ich auch gemacht und zwischendurch bin ich mit 21 bei GC Profi geworden. Im Ausland habe ich es - auch wenn nur für 6 Monate - geschafft (Bei Derby County in der Premiere League, die Red.).
Ich habe immer sehr konsequent meinen Weg gemacht ohne wenn und aber und wie immer im Leben, es kommt wie es kommen muss. Es gibt immer in einer Karriere einige Knackpunkte und bei mir gab es einige, die entscheidend waren. Am Schluss zählt, wo du heute stehst. Und das ist immer die Summe von dem, was du in der Vergangenheit gegeben hast. Von daher bin mehr als zufrieden, wie meine Karriere verlaufen ist. Ich würde genau alles wieder so machen!
torwart.de: Du hast vor zehn Jahren mal bei Buffon und Juventus hospitiert. Welche Aspekte konntest du daraus lernen?
Foletti: Es war sehr spannend zu sehen, wie er zwischen 100% Konzentration und totaler Gelassenheit/Lockerheit «switchen» kann. Immer wieder dieses Wechseln, ständig. Das ist für mich ein Grund, wieso er noch mit 39 einer von den besten Torhüter ist und jahrelang dieses Fußball-Business überlebt hat.
torwart.de: Wie wichtig sind für dich Anschauungsvideo, vor allem für Jugendliche?
Foletti: Es ist sehr wichtig. Heute kann ich mich nicht mehr vorstellen, ohne Videos zu arbeiten. Ein super Hilfsmittel, um Fehler zu beheben, eine gute Sache um Positives zu bestätigen. Einfach zum Lernen, ohne 1000 Worte zu gebrauchen!
torwart.de: Wie schaut eine "normale" Woche bei dir aus?
Foletti: Was ist eine normale Woche (lacht)? Ich habe keine Woche, die gleich ist wie die andere! Das macht meinen Job so spannend. Ich bin für die Betreuung der Vereine zuständig, für alle Nationalmannschaften (ab der Stützpunkte U13 bis zur A Team), für das Scouting und für die Torhüterttrainings-Ausbildung verantwortlich. Ich bin oft am Reisen, u.a. vor allem in Deutschland, weil wir eben so viele Torhüter bei euch haben! Es ist spannend, da ich mich immer wieder mit Torhütertrainern und Torhütern beschäftige, aber immer wieder aus anderen Blickwinkeln.
torwart.de: Gibt es etwas, was du von den Deutschen Keepern noch bewunderst?
Foletti: Die Überzeugung, das Auftreten, den Willen!
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